Augus t 2015
Die Mondseer Stiftsbibliothek ist ein wunderschöner
gotischer Raum, der nur einen gravierenden Fehler
hat. Es gibt dort so gut wie keine Bücher. Dabei war
die Mondseer Schreibwerkstatt einst Zentrum
kirchlicher Bücherkunst.
E
ines der Prunkstücke
das in der Mondseer
Schreibwerkstatt ent-
standen ist, ist der
sogenannte Tassilo Psalter. Das
wertvolle Textbuch dürfte im
Jahr 788 nach der Entmachtung
der Agilolfinger durch Karl
dem Großen als Kriegsbeute-
stück nach Frankreich gelangt
sein, wo sich das Buch noch
heute befindet. Genauer ge-
sagt, ist es in der Bibliothèque
Interuniversitaire Médicine der
Universität Montpellier zu se-
hen und ist weltweit als Psalter
von Montpellier bekannt.
Von Rupert LENZENWEGER
Bis 1791 war das Kloster
reich an wertvollen hand-
schriftlichen Büchern. Dann
wurde das Kloster zerschlagen,
die Bibliothek aufgelöst. Die
wertvollsten Stücke aus Mond-
see befinden sich heute in der
Nationalbibliothek, in Linz
aber auch in Bayern.
Mondseer Schreibwerkstatt?
Wie kann man sich das dama-
lige Leben und Arbeiten der
Mönche vorstellen? Vielleicht
so, wie in Umberto Ecos Ro-
man und dem Film „Im Namen
der Rose“? So weit hergeholt ist
der Vergleich tatsächlich nicht.
Weil so wie im Skriptorium in
der Benediktinerabtei im Ape-
nin dürfte es tatsächlich auch in
Mondsee zugegangen sein. Auf
schrägen Pulten sind die Bü-
cher entstanden. Geschrieben
in schönster Schrift, verziert
mit kunstvollen Initialien und
veredelt mit Zeichnungen.
Ob die Mondseer Schreib-
werkstatt tatsächlich Eco als
Vorlage gedient hat, ist nicht
sicher. Dass er aber den ehema-
lige Zugang in die Mondseer
Stiftsbibliothek für seinen
Roman verwendet hat, schon.
Denn im Zuge seiner Recher-
chen verbrachte Umberto Eco
1968 mindestens einen Tag in
Mondsee. Und da hat er wohl
auch die gotische Stiege als
Aufgang in die Bibliothek nä-
her unter die Lupe genommen.
Denn diese Stiege war zur Zeit
der Mondseer Schreibwerkstatt
der einzige Zugang zum Skrip-
torium. Irgendwann wurde die
Stiege dann zugemauert und
vergessen. Bei Umbauarbeiten
wurde sie dann wieder zufällig
entdeckt: Einem Elektriker-
lehrling ist bei Stemmarbeiten
plötzlich der Meißel durch die
Mauer gefallen. Als der frei-
gelegte Hohlraum näher unter-
sucht wurde, kam die gotische
Stiege ans Tageslicht. Was jetzt
auf den ersten Blick nicht be-
sonders aufregend erscheint,
aber doch an Bedeutung ge-
winnt, wenn man weiß, dass
Heimholung
Mit digitalen
Büchern
könnte der
Mondseer
Stiftsbiblio-
thek wieder
neues Leben
eingehaucht
werden