Jänner 2016
Frohe Festtage
Seite 38
I
st es Schicksal oder einfach nur Zufall, dass ein
Weihnachtslied aus Österreich mittlerweile welt-
berühmt ist? Keiner weiß es so genau. Eines ist
aber auf alle Fälle sicher: Die Orgel spielte zwei
Mal in der Geschichte des Liedes „Stille Nacht,
Heilige Nacht“ eine besonders große und wichtige
Rolle.
„Stille Nacht, heilige Nacht“: Vom Zillertal hinaus in die ganze Welt
Erst Handschuhmacher aus Tirol machten
„Stille Nacht, Heilige Nacht“ bekannt
Lange vor der ersten Musik
aus Lautsprechern und Weih-
nachtsliederberieselung
auf
Knopfdruck, gab es Musik nur,
in dem man sie selber spielte
und sang, oder es einem vor-
gespielt wurde. Texte und Me-
lodien wurden meist mündlich
weitergegeben und richtig fest-
liche, „große“ Musik gab´s nur
an Feiertagen in der Kirche.
Dazu gehörte immer die Orgel
mit einer großen Besetzung an
Sängern. Was aber tun, wenn
die Orgel ausgerechnet zur
Weihnachtszeit kaputt wird?
Genau vor diesem Dilemma
standen Josef Mohr und Franz
Xaver Gruber zur Weihnachts-
zeit im Jahr 1818.
Bereits zwei Jahre zuvor hat-
te Pfarrer Mohr einen Liedtext
über die stille, heilige Nacht
geschrieben. Franz Xaver Gru-
ber bat er nun die passende
Melodie dazu zu komponieren.
Bei der Weihnachtsmette in der
Oberndorfer Pfarrkirche sang
Josef Mohr Tenor und begleite-
te mit der Gitarre. Franz Xaver
Gruber sang Bass und der Chor
wiederholte nach jeder Strophe
die Schlusszeile. Richtig in die
Herzen der Besuch ging dieses
Lied damals allerdings noch
nicht.
Vom Zillertal hinaus
in die Welt
Dann spielte die Orgel ein
zweites Mal eine wichtige
Rolle, oder besser gesagt der
Orgelbauer Karl Mauracher
aus Fügen im Zillertal. Im
Zuge der Reparaturarbeiten
wurde er auf das Lied „Stille
Nacht, Heilige Nacht“ auf-
merksam. Er nahm das Lied
mit ins Zillertal und dort wur-
de es innerhalb kurzer Zeit bei
der Bevölkerung sehr beliebt.
Gleich zwei
Zillertaler
Gruppen
trugen das Lied hinaus in die
Welt. Die Rainer-Sänger san-
gen bereits in der Christnacht
1819 in der Fügener Kirche
das Lied beim
Besuch von Kai-
ser Franz I von
Österreich und
Zar Alexander I
von Rußland im
Schloß des Gra-
fen Döhoff (heu-
tige
„Buben-
burg“, Fügen im
Zillertal).
Familie
Strasser
Die
Familie
Strasser aus Laimach im Zil-
lertal betrieb neben der Land-
wirtschaft noch einen Handel
mit Handschuhen und zog da-
zu mit der ganzen Familie von
Markt zu Markt. Um den Ver-
kauf anzukurbeln, sangen sie
in hübscher Tracht gekleidet
vor ihrem Stand heimische
Lieder. Ein Lied weckte im-
mer besonders viel Aufsehen:
„Stille Nacht, heilige Nacht“.
Einer der Zuhörer war Franz
Alscher, Organist und Kantor
der katholischen Gemeinde
in Leipzig. Er bat die Familie
Strasser, dieses Lied bei der
Weihnachtsmette in der kö-
niglich-sächsischenHofkapel-
le der Pleißenburg zu singen.
Die berührenden Textzeilen
und die eingängige Melodie
verzauberte die Besucher so
sehr, dass die Strasser-Kin-
der und ihr neues Lied zum
Gesprächsthema
Nummer
eins der Stadt wurden. Von da
an durfte das Lied bei keiner
Aufführung mehr fehlen.
Stille Nacht, Heilige
Nacht ein Tiroler
Volkslied
Bei einem Konzert der Fa-
milie Strasser hörte der Ver-
leger A.R. Friese aus Dres-
den das Weihnachtslied und
war sofort begeistert. Wenig
später ließ er 1833 unter dem
Titel „Vier ächte Tyroler Lie-
der“ insgesamt vier Lieder der
Familie Strasser aufzeichnen.
Darunter auch „Stille Nacht,
heilige Nacht“.
Bis 1854 galt „Stille Nacht,
Heilige Nacht“ als Volkslied
aus dem Zillerthal. Die ei-
gentlichen Schöpfer Mohr
Im Fügener Heimatmuseum
gibt es ausführliche Dokumente zu
den Rainer-Sängern und dem Stille-Nacht-Lied.
Portrait von
Orgelbauer
Karl Maura-
cher
aus dem
Zillertal.
Ein Gemälde von den Rainer Sängern die „Stille Nacht, Heilige
Nacht”
vor der Holy Trinity-Church in New York im Jahr 1839 sin-
gen.
Bilder (3): Stille Nacht Gesellschaft/Heimatverein Fügen im Zillertal