Palmenhaus und Tuffsteingrotte
Bildungswerk Thalgau enthüllt neuerlich einen Mosaikstein über die unbekannte Geschichte des Gerichtsparks
I
n den letzten September-
tagen 1953 schrieb die
legendäre Thalgauer
Lehrerin Betty Gru-
ber einen Brief nach Wien.
„Mein lieber Weriand! Ich
freue mich sehr von dir,
meinem Lieblingsschüler,
gehört zu haben … du hast
mir aber noch nie berichtet,
wie du zu deinen Studieninte-
ressen gekommen bist?“.
Univ. Prof. Dr. Weriand Mer-
lingen, Thalgauer Sprachfor-
scher von Weltrang, antworte-
te: „… der Dialekt der hiesigen
Bevölkerung im lieblichen
Dorf neben der Ischlerbahn und
die hochdeutsche Amtssprache
meines Vaters haben das Inte-
resse an meinen Sprachstudien
bei mir geweckt. Den Forscher-
geist fand ich jedoch durch mei-
nen Vater, der sich vor allem
mit den Energien des Wassers,
einem Grottenbau und anderen
Dingen beschäftigte.“
Nachdem bereits bei der Er-
öffnung der heurigen Museums-
ausstellung im Juni mit dem
Lebensbild „Silvio Cappellari
- Der Barackenmann“ eine bis-
her völlig unbekannte Facette
Thalgauer und auch Salzburger
Kriegsgeschichte
dokumen-
tiert wurde, wird auch am 15.
August im Rahmen des großen
Kneippaktivfestes eine wieder-
um neue historische Besonder-
heit durch den Lokalhistoriker
und Bildungswerk-Leiter Bern-
hard Iglhauser aufgezeigt.
Die großzügige Gartenan-
lage des Gerichtsparkes war
schon immer eine optische
Bereicherung des Dorfbildes.
Der Thalgauer Dorfarchitekt
und Brunnenmeister Eugen
Reindl verwirklichte darin vor
der Jahrhundertwende den ers-
ten örtlichen Springbrunnen.
Mit der Errichtung eines Pal-
menhauses durch Richter Dr.
Karl Fessl wurde vor 1900 eine
zusätzliche botanische Sehens-
würdigkeit errichtet.
Der leidenschaftliche Zi-
truszüchter besaß eine um-
fangreiche
pomologische
Büchersammlung und war
ein exzellenter Kenner der
südländischen Botanik.
Gänzlich unbekannt bis
zur Gegenwart war die Er-
richtung einer Tuffsteingrot-
te durch den Richter Dr. Artur
Merlingen als Kneippanlage.
1866 in Mähren geboren, ist Dr.
Artur Merlingen 1908 zum Be-
zirksrichter in Thalgau ernannt
worden. Neben der Gründung
des „Thalgauer Jugendfürsor-
ge- und Kinderschutzvereins“
wurde der leidenschaftliche
Naturforscher zum örtlichen
Wegbereiter der Gesundheits-
lehre des Pfarrers Sebastian
Kneipp. 1910 errichtete er für
die Bevölkerung eine aus Tuff-
steinen bestehende „Wasser-
grotte“ im Gerichtspark. Die
Ironie des Schicksals ergab
jedoch, dass der Vorkämpfer
der Hydrotherapie und ganz-
heitlichen Gesundheitsbetrach-
tung, erst 49 jährig, nachdem
er sich Wochen vorher mit
Selbstheilungsversuchen be-
schäftigte, am 25. August 1914
in Salzburg verstarb. Durch
die Mobilmachung zum ersten
Weltkrieg waren die Straßen
derartig blockiert, dass er ei-
nem Blinddarmdurchbruch im
Rettungsauto erlag. Zwei Tage
später wurde er unter großer
Anteilnahme der Thalgauer Be-
wohner in Maxglan beerdigt.
Nach einer Rede von NS-
Schulungsleiter Karl Sprin-
genschmid, der die Errich-
tung eines Heldenhaines im
Gerichtspark forderte, wurde
die Grotte 1942 bei der ersten
Aufschotterung der Grünflä-
che zerstört. 2008 installierte
die Marktgemeinde Thalgau
und das Bildungswerk an fast
der gleichen Stelle das Erinne-
rungsdenkmal an die Thalgauer
Opfer der NS-Zeit.
1995 sind Merlingens Be-
mühungen durch die Gründung
eines Kneippvereines wieder
aufgenommen worden. 20 Jah-
re später wird das große Grün-
dungsfest des „Kneipp Ak-
tivclub“ Thalgau am Samstag
15. August ab 12 Uhr bei der
Kneippanlage „Vetterbach“ mit
zahlreichen Aktivitäten und der
Enthüllung einer Gedenktafel
für Dr. Artur Merlingen an die-
se Geschichtsspuren erinnern.
Richter Artur Merlingen
Das Thalgauer Gericht mit dem „Palmenhaus“, 1900 von Richter Karl Fessl errichtet, der ein leidenschaftlicher Zitrusfrüchtezüchter war.
.