FAHRTWIND
Eines der Wahrzeichen von Sardinien:
Die roten Felsen in Arbatax.
uf den erstenBlick glaubst,
du bist in einer Filmku-
lisse gelandet. Jeder
Western hätte hier
gedreht werden kön-
nen. Wir befinden
uns aber nicht in der
amerikanischen Prärie, sondern
direkt am Mittelmeer. Genauer
gesagt, an der nordwestlichen
Spitze Sardiniens. Alghero
liegt wenige Kilometer vor uns,
Porto Torres haben wir vor gut
einer Stunde hinter uns gelas-
sen. Und dann taucht plötzlich
Argentiera auf und wir werden
zurück versetzt in eine Zeit des
Silberrausches, in eine Epoche
des Spekulationswahnsinns mit
vielen menschlichen Einzel-
schicksalen die meist tragisch
geendet haben, weil praktisch
alle Schatzsucher finanziell un-
ter die Räder gekommen sind.
Dass es an dieser kleinen Bucht
in Sardinien Silber gibt, haben
schon die Römer und Puni-
er gewusst. Sie haben dieses
Edelmetall abgebaut und dabei
hohe Schlackenhalden hinter-
lassen. Diese Halden zogen
im 18. Jahrhundert Abenteurer
und Schatzsucher an, nachdem
ein Verfahren entwickelt wur-
de, mit dem aus den Schlacken
noch einmal Silber gewonnen
werden konnte. So wurde bis
1960 hier mehr oder weniger
erfolgreich nach dem Edelme-
tall gesucht. Seither verfallen
die Anlagen und geben ein
gleichermaßen imposantes wie
trostloses Bild ab.
Während also die alten Rui-
nen der Behausungen der Mi-
nenarbeiter, die eingestürzten
Minen und Gruben und die
Reste der hölzernen Waschan-
lage einen Teil der Geschichte
Sardiniens erzählen, erleben
wir in Alghero die Gegenwart.
Alghero ist die schönste Stadt
Sardiniens und zugleich auch
die untypischste. 1355 von spa-
nischen Truppen erobert, trägt
die Altstadt noch heute kata-
lanische Handschrift. In vie-
len Geschäften wird Jade- und
Korallenschmuck angeboten.
Und mögen die Händler auf
die Frage, ob die Korallen aus
Sardinien kommen, noch so
überzeugend nicken. Es stimmt
nicht. Die einstigen Korallen-
gründe vor Alghero und Bosa
sind längst aufgebraucht. Die
Korallen für den angebotenen
Schmuck kommen aus Ostasi-
en.
Zwölf Tage waren wir mit
den Motorrädern in Sardinien
unterwegs. Ein Vater-Sohn-
Ausflug der besonderen Art
gewissermaßen. Wir haben
die Insel von Golfo Aranci aus
gegen den Uhrzeigersinn der
Küste entlang umrundet und
dabei immer wieder recht kräf-
tige Abstecher auch ins Landes-
innere hinein unternommen.
Bereits wenige Kilometer von
der Küste entfernt wird es ein-
sam. Riesige Straßen zwar,
aber kaum Verkehr. Wuchti-
ge Kreisverkehre, kilometer-
lange Brücken über mächtige
A
Keine Filmkulisse:
In Argentiera im Nordwesten Sardiniens wurde
bis 1960 Silber abgebaut. Glücksritter und Schatzsucher hofften
aber vergeblich auf Reichtum.
Einmal ganz
rundum
Text: Rupert Lenzenweger, Bilder: Rupert Lenzenweger jun./Rule
Wer auf der Suche nach dem Paradies für
Motorradfahrer ist, wird unweigerlich
auch einmal in Sardinien landen.
Diese Insel hat aber mehr zu bieten
als breite Straßen mit griffigem Asphalt
und wenig Verkehr.
Hin und wieder
absteigen und das Tempo auf null zu
reduzieren lohnt sich.