Wieso ich jetzt sechs Lederjacken habe

Für B. ist es selbstverständlich, dass sie sich hin und wieder Kleidung auf einem Flohmarkt oder in einem Second Hand-Geschäft kauft. Für mich war das undenkbar. Bis vor kurzem. Weil jetzt habe ich mir eine Lederjacke beim ersten Flohmarkt im heurigen Jahr auf der Seepromenade von Mondsee gekauft.

Flohmärkte sind für mich Hindernisläufe. Zuerst suche ich nach technischen Geräten und Werkzeugen. Habe ich von diesem Zeugs nichts gekauft, ist das größte Hindernis genommen. Relativ locker wechsle ich dann zu den Büchern und Schallplatten. Bei den Lesestoffen finde ich fast immer ein antiquarisches Buch, bei dem mir der Titel gefällt. Obwohl ich jetzt ganz ehrlich sagen muss, dass ich noch nie eines dieser Bücher bis zum Ende gelesen habe. Weil mir das mühselige Zusammenstoppeln der Fraktur-Schrift-Buchstaben irgendwann dann doch auf die Nerven geht. Bei den Musikalien entdecke ich stets Langspielplatten, die ich schon als Teenager haben wollte, die aber damals immer wieder dem Sparstift geopfert werden mussten.

Habe ich auch Bücher und Schallplatten hinter mir, kann ich recht gelassen über den Flohmarkt schlendern. Weil Keramik, Geschirr, Bilder oder sonstige Sachen schaue ich mir zwar gerne an, aber wirklich etwas kaufen würde ich nicht. Schwach werde ich hin und wieder höchstens noch bei alten Uhren, Füllfedern oder Werbeschildern aus Blech, die gut in meine Garage passen. Die vielen Stände mit Bekleidung werden von mir schlichtweg ignoriert. Salopp könnte man sagen, dass mir das „Fetzenzeugs“ nie auch nur eines Blickes wert gewesen wäre. Bis vor kurzem.

Ich war gerade dabei, mit einem Schallplattenverkäufer tief in seinen musikalischen Single-Schatz einzutauchen, um besondere Diamanten ans Tageslicht zu fördern. Freddy Quinn haben wir bereits auf hoher See begleitet und auch bei Trude Herrs musikalischer Suche nach einem Mann waren wir dabei. Momentan kratzte die Nadel des alten Hornyphon Batterie-Plattenspielers aus den frühen 1960er Jahren „Drei kleine Italiener“ von Cornelia Froboess. Für die allermeisten Flohmarktbesucher ist das so etwas wie eine Hymne. Für mich auch.

Just in dem Moment rief B. nach mir. Das heißt, genaugenommen ließ sie nach mir rufen, weil es war die Verkäufer des Kleidungsstandes gleich neben der Plattensammlung die mich bat, nach B. zu schauen. Die wollte lediglich gewissermaßen offiziell von mir bestätigt haben, dass ihr der blaue Mantel mit den eckigen Knöpfen besonders gut steht. Inoffiziell war der Mantel längst gekauft. Als B. die Verkäuferin nach dem Preis fragte, nahm das Unheil seinen Lauf. Anstatt in konkreten Zahlen zu antworten, zwängte mich die Frau in eine dunkelgraue Lederjacke. Unhübsch war die Jacke nicht. Sie passte auch wie angegossen und mit einem schnellen Rundumgriff konnte ich feststellen, dass genügend und vor alle tiefe Säcke an den richtigen Stellen sassen. Auch der Reißverschluss ging leicht auf und zu. „Wenn ihr Mann noch diese Lederjacke nimmt, wird ihr Mantel um 20 Euro billiger“, sagte die Verkäuferin. Die beiden Frauen waren im Geschäft.

Jetzt hängt in meinem Garderobenschrank neben den ohnehin nur recht selten getragenen fünf Lederjacken auch noch eine Sechste. Und so denke ich mir manchmal, dass ich schon selbst einen Flohmarkt ausrufen könnte. Mit Lederjacken und antiquarischen Büchern in Frakturschrift im Angebot. Außerdem wären etliche Langspielplatten dabei, bei denen sich Jahrzehnte später herausgestellt hat, dass es jetzt doch nicht so schlimm war, dass ich sie mir damals als Teenager nicht leisten konnte. Und wenn ich jetzt genau überlege: B. hat ihren blauen Mantel seit dem Kauf auch noch nicht getragen …

Der Flohmarkt an der Mondseer Seepromenade findet bis November bei trockenem Wetter jeden ersten Sonntag im Monat statt. -3. 3. 2025-

Rupert Lenzenweger

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