Maroni, Rotwein und Lebensfreude pur

Die Pfannen sind riesengroß und hängen wie Kinderschaukeln über den glühenden Kohlen, aus denen immer wieder Flammen züngeln. So geht es schnell, bis die Pfannen brennheiß sind. Das ist dann auch genau der richtige Moment für die Maronibrater, jeweils 15 Kilo Kastanien in jede der fünf eckigen Pfannen zu schütten. Damit die Maroni auch alle gleichzeitig genussfertig sind, werden die Pfannen immer wieder geschaukelt und die Kastanien durcheinander gewirbelt. Hunderte Schaulustige verfolgen das Spektakel und freuen sich auf die heißen Kastanien. Die werden nämlich von den Männern in kleine Sackerl abgefüllt und dann unter den Besucher des Kastanienfestes verteilt. Insgesamt fast eine halbe Tonnen Maroni werden an diesem Sonntag Vormittag so verteilt. Dazu gibt’s Rotwein, direkt aus Holzfässern. Ebenfalls zur freien Entnahme. Und denken Sie ja nicht daran, nach „Vino bianco“ zu fragen. Sie werden sofort als ahnungsloser Tourist entlarvt. Weil zu Maroni passt nur Rotwein. Basta.

Der Rotwein kommt genauso aus der Region, wie die Kastanien. Das ist, wo in Sardinien die höchsten Berge stehen und wo auch in den heißesten Sommermonaten die Temperaturen erträglich sind. Dort liegt Aritzo. Ein kleines verträumtes Städtchen, eng angeschmiegt an einen Berghang. Hier sagen sich Fuchs und Henne gute Nacht. Aber einmal im Jahr ist in Aritzo der Teufel los. Das ist am letzten Wochenende im Oktober, wenn drei Tage lang das Kastanienfest gefeiert wird. Aus ganz Sardinien kommen dazu die Besucher und sorgen schon kilometerweit vor dem Ort für ein Verkehrschaos, aus dem ein Entrinnen nur mit Shuttelbussen möglich ist. Die verkehren an den drei Festtagen schier rund um die Uhr. Nur so lässt sich der Besucherandrang halbwegs bewältigen.

Das Kastanienfest in Aritzo ist ein Fest für die Einheimischen. Touristen sind Ende Oktober ohnedies kaum mehr in Sardinien. Und wenn, dann an den Küsten. Hier können sie sich zum letzten Mal im Jahr die Sonne auf den Bauch scheinen lassen und noch einmal im 23 Grad warmen Meer schwimmen.

Das große Fest in Aritzo hält aber mehr als Kastanien und Rotwein für seine Besucher parat. Das Fest spiegelt die ganze Kultur der Insel wider. Und so werden kunstvolle Windgebäcke in Form von bunten Tieren ebenso angeboten, wie Spanferkel und Lämmer am Grill. Auch der Stand mit den Giovanni Demurtas-Kapperln darf nicht fehlen. Die werden seit 1932 in der „antiken Mützenfabrik“ (antico Berrettificio) hergestellt und sind praktisch auf dem Kopf eines jeden Sarden zu finden.

Reißenden Absatz finden auch die Messer, die angeboten werden. Schneidewerkzeuge bester Qualität. Hergestellt von Handwerkern, die in den Bergen ihre Werkstätten haben. Die Messer haben stolze Preise, halten aber dafür ein Leben lang und werden nicht selten von Generation an Generation weitergegeben. Quasi Nachhaltigkeit auf sardisch.

Was aber wäre das Kastanienfest ohne Musik? Tamburin-Gruppen ziehen den ganzen Tag durch den Ort und machen mit ihren Trommeln gehörig Lärm. Volksmusiker verbreiten ihre Klänge, zu denen Mädchen und Burschen in originalen Trachten tanzen und wenn am Sonntag Abend dann wirklich langsam Ruhe einkehrt, versinkt Aritzo in seinen Dornröschenschlaf, aus dem es erst wieder am Ende des nächsten Oktobers wachgeküsst wird.

Rupert Lenzenweger

Spezialitäten aus der Region lassen das Wasser im Munde zusammenrinnen.
Spanferkel auf dem Grill.
Mädchen in sardischer Tracht. Hübsch anzusehen und beliebtes Fotomotiv.
Selbstbedienung. Der Rotwein zu den Maronis kommt direkt aus dem Holzfaß.
Der Grillmeister. Mit viel Liebe kümmert er sich um Spanferkel, Lämmer und sonstige Spezialitäten.
Tamburi-Trommler sorgen den ganzen Tag für Stimmung auf den Plätzen der Stadt.
Das original „Giovanni Demurtas“-Kapperl darf auf keinem Kopf eines echten Sarden fehlen. Alle Bilder: Rule