Lustige Zwergerljagd durch Breslau
Normalerweise gehören städtische Touristen-Informationen für Kinder nicht zu denbeliebtesten Attraktionen. In der polnischen Stadt Breslau ist das anders. Da stellen sich die Kinder zeitweise sogar vor dem Informationszentrum an. Weil dort bekommen die Mädchen und Burschen alle Unterlagen, die sie für eine lustige Zwergenjagd in der Stadt brauchen.
In Breslau ist die Zwergerljagd beileibe nicht nur ein Spaß für Kinder. Auch viele Erwachsene durchstreifen die Stadt mit dem Blick nach unten. Weil die großen Sehenswürdigkeiten sind eh nicht zu übersehen. Rathaus und Dom, die Zeile mit den Bürgerhäusern und das Hänsel und Gretel-Haus scharen sich alle um den riesigen Stadtplatz, der nach dem Abzug der Roten Armee nur mehr ein Trümmerhaufen war. Daran erinnert heute nix mehr. Das Ortszentrum von Breslau schaut aus, als ob es nie zerstört worden wäre und hier nie ein erbitterter Krieg mit anschließender russischer Besetzung gewesen wäre.
Die Zwerge im Ortszentrum sind relativ neu. Die Gnome sind rund 30 Zentimeter groß und aus Gusseisen. Sie zeigen Figuren und Szenen aus dem Alltag oder dem Brauchtum. Handwerker sind da ebenso dabei, wie Golfspieler, Fußballer oder Läufer. Es gibt Zwerge die paddeln in einem Zwölferkajak oder bekämpfen als Feuerwehrmänner einen Brand. Andere Zwerge scheinen einfach nur die Sonne zu genießen und lehnen an Sonnenblumen, kauern in Liegestühlen oder lassen ihre Angel ins Wasser hängen. Wie viele so kleine Zwerge herumstehen, weiß wohl niemand mehr so ganz genau. Aber über 800 sind es sicher, versichern uns die Damen im Tourismusbüro glaubhaft. Sie gibt auch den Kindern die Hefte, in denen sie ankreuzen sollen, wo welcher Zwerg steht. Für besonders eifrige Sucher gibt’s dann kleine Preise.
Sie sind ja durchaus lustig, die kleinen Wichte, aber welchen Sinn haben sie? Es war die politische Oppositionsbewegung „Orange Alternative“ die in den 1980er Jahren bei spontanen Aktionen in Zwergerlkostümen am kommunistischen Regime in Polen Kritik übte und hat als Symbol für diesen Widerstand einen gusseisernen Papa Zwerg in der Breslauer Altstadt aufgestellt. Abgeschaut haben sich diesen „Zwergerlprotest“ die polnischen Oppositionellen vermutlich von der niederländischen Kabouterbewegung, die bereits von 1969 bis 1974 ihre Proteste mit dem Mythos von den listigen und hilfreichen Zwergen verband.
Nach Papa Zwerg griffen Studenten der Breslauer Kunsthochschule im Sommer 2001 das Thema wieder auf. Drei Jahre später wurde der Künstler Tomasz Moczek beauftragt, zwölf Zwerge zu fertigen. Seither wächst die Zwergenfamilie unaufhörlich. Und selbst die fleißigsten Kinder können bei ihrer Suche unmöglich alle im Stadtzentrum stehenden Zwergerl finden.
Rupert Lenzenweger