Hilfe für die Armen der Ärmsten
Irgendwann erreicht wahrscheinlich jeder von uns einmal den Punkt an dem er das Gefühl hat, er muss sein Leben ändern. Neue Wege gehen, sich Wünsche erfüllen, alte Muster hinter sich lassen. Kurzum: Sein Leben zu leben. Aber wer tut das dann wirklich? Einfach alles hinter sich lassen? Johanna Katharina Ebner aus Teichstätt hat es getan. Sie ist nach Ägypten gegangen und hat dort in einer Armenambulanz verletzten Menschen geholfen, die sich sonst keine Hilfe leisten könnten.
„Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom“, lacht mich Katharina Ebner bei unserer Begrüßung an und sagt so mit ganz wenigen Worten, wie derzeit ihr Leben verläuft. Ganz anders, als in den vergangenen drei Jahrzehnten. Da war sie als Diplomkrankenschwester in einem Spital tätig. Sie hat nicht nur tausenden Kranken geholfen. Sie hat auch miterlebt, wie sich die Pflege verändert hat. Weg vom Patienten, hin zum Bürokratismus. „Ich nenne es inzwischen Computerpflege, was da bei uns abläuft“, sagt Ebner.
Wie anders sind da die vergangenen zwei Monate gewesen. Die hat Johanna Katharina Ebner in Ägypten verbracht. Bei den Borromäerinnen in Kairo. Die Nonnen dieses deutschen Ordens betreiben dort nicht nur eine Eliteschule, sondern kümmern sich in einer Armenambulanz auch liebevoll um jene Menschen, die sich in Ägypten sonst keine medizinische Versorgung leisten könnten. Also die Ärmsten der Armen, von denen täglich bis zu 300 Hilfe bei den Nonnen suchen. Erwachsene mit kaputten Gliedmaßen, mit verstümmelten Zehen und riesigen offenen Wunden die nicht heilen wollen. Vor allem aber auch Kinder mit schweren Brandwunden. „Und solche gibt es in Ägypten viele“, weiß Ebner.
Es sind in erster Linie Salben, mit denen die Nonnen Linderung bringen. Salben, hergestellt aus einem reichen Erfahrungsschatz vieler Generationen. Und deshalb ist auch Johanna Katharina Ebner auf diese Armenambulanz aufmerksam geworden. Weil Ebner ist, wenn man es jetzt einmal so salopp ausdrücken möchte, schon ein bisserl eine Kräuterhexe. Bei ihr daheim in Teichstätt stehen auf dem großen Küchenherd die Ingredienzien für heilende Salben: Lärchenharz in einem großen Glasplutzer, Schweineschmalz in einem Tonkrug und Johanniskrautöl in einem Emailtopf. Dazu kommen dann noch verschiedene Kräuter, je nach Art der Verletzung.
Ähnlich wie in Ebners Küche sieht es auch in der Apotheke im Krankenhaus in Ägypten aus. Dort rührt Diplomschwester Bernadette die Salben an und ließ sich dabei von „Volontärin“ Johanna aus Teichstätt gerne über die Schulter schauen. „Ich habe dort viel gelernt. Nicht nur wenn es um Salben geht. Auch im gefühlvollen Umgang mit den Patienten. Egal welcher Herkunft, egal welche Verletzungen. Alle werden freundlich und bestmöglich versorgt“, erinnert sich Ebner und bringt ihre Erfahrung auf einen Satz: „Man spricht arabisch und fragt nicht nach dem Namen.“
Schon nach wenigen Tagen war die „weißhäutige Schwester“ bei Patienten und Kolleginnen gleichermaßen beliebt. „Die Leute waren mir gegenüber völlig aufgeschlossen. Sie waren dankbar über die Hilfe die ich ihnen gebracht habe und haben mich als ,Andersgläubige, respektiert“, erzählt Johanna weiter.
Aber wie hast du mit ihnen geredet, Johanna? „Mit Händen und Füssen. Anders konnten wir uns nicht verständigen“, lacht Johanna. Weil englisch und deutsch auf der einen Seite – Fehlanzeige. Und arabisch auf der anderen Seite? Auch Fehlanzeige. Trotzdem gab´s keine Verständigungsschwierigkeiten. Im Gegenteil, Freundschaften wurden geknüpft und Erfahrungen weitergegeben.
„Ich habe in Ägypten natürlich nichts verdient und musste mir den Aufenthalt selbst bezahlen. Trotzdem bin ich als reiche Frau heim gekommen. Ich habe neue Salbenrezepte erfahren, viel über Heilkräuter gelernt und auch menschlich eine Menge mitgenommen“, möchte Johanna keinen einzigen Tag ihres Ägypten-Aufenthaltes missen …
… und plant bereits die Zukunft. Albanien würde sie reizen und die Fühler dorthin hat sie auch schon ausgestreckt. Konkrete Pläne gibt es aber noch nicht. Bis es so weit ist, schwimmt der Fisch halt mit der Strömung, um dann nach der nächsten Stromschnelle abrupt wieder gegen das Wasser anzukämpfen.
Rupert Lenzenweger