Im Paradies der kleinen Laster
Riesige Schraubenschlüssel mit einem Maul so breit, dass eine Faust darin Platz hat. Hämmer so schwer wie Granit-Steine für den Straßenbau oder Drehmomentschlüssel mit einem Stiel dick wie Unterarme. Wenn Lastwägen in die Werkstatt zur Reparatur müssen, ist das Werkzeug dafür üblicherweise recht mächtig. Nicht so bei Franz „Sik“ Eichridler aus St. Lorenz. Wenn er an seinen Lastwägen „schraubt“, dann nimmt er Uhrmacherwerkzeuge zur Hand. Aus groben Zangen werden zarte Pinzetten und Tupflack oder Klebefolien ersetzen Schwingschleifer, Karosseriehämmer und Lackierkammer.
Des Rätsels Lösung: Eichridlers Lastautos sind Modelle. Allesamt im Maßstab von 1:87 und es sind mehr als 1.400 Stück, die bei ihm in der Garage stehen. Wobei natürlich die Garage jetzt auch keine richtige Garage ist, sondern ein ausgebauter Raum im Keller des Eichridler-Hauses. An den Wänden stehen Vitrinen und hinter den Glasscheiben haben die schmucken Lastwägen ihren Platz.
Jetzt ist es so, dass Franz Eichridler nicht einfach nur irgendwelche LKW-Modelle sammelt. Also quasi ins Spielzeuggeschäft geht, um den ganzen Matchbox-Bestand aufzukaufen. Mitnichten. Alle Lastwägen im Fuhrpark des Sammlers sind Modelle von echten Fahrzeugen, wie sie täglich auf der Straße zu sehen sind. Weil viele Transportfirmen haben die Lastwagen nicht nur in groß, sondern auch als Werbegeschenk für Kunden als kleine Modelle. Und genau diese sammelt Eichridler seit 15 Jahren.
„Begonnen hat alles mit einem Almdudler-Lastwagen, den ich von meiner Tochter geschenkt bekommen habe“, erinnert sich Eichridler. Damit hat ihn der Sammelvirus gepackt. Er ist bei Firmenchefs vorstellig geworden und hat nach LKW-Modellen gefragt. Er hat große Konzerne angeschrieben und manchmal gleich mehrere Modelle bekommen oder überhaupt keine Antwort. „Und irgendwann hatte ich dann 30 Modelle und war eigentlich damit zufrieden“, erinnert sich Eichridler und genau das war das Problem, das eigentlich alle Sammler kennen. Schleichend und für den Betroffenen nicht merkbar wird aus dem Hobby eine Sucht. Zu dieser Zeit hat Eichridler auch damit begonnen, einen Raum im Keller für seine Laster herzurichten.
Jetzt gibt es Sammler, die horten ihre Schätze, nehmen sie womöglich gar nicht aus der Verpackung und hoffen, dass das Zeugs irgendwann einmal viel wert wird. So einer ist Franz Eichridler nicht. Seine Laster haben keine Verpackung mehr, werden oft aus der Vitrine genommen und werden auch modernisiert. Was das heißen soll? „Ich bringe meine Modelle auf den neuesten Stand. Wenn bei den originalen Fahrzeugen die Rücklichter größer werden, dann baue ich auch meine Modelle um“, sagt der Franz, der momentan damit beschäftigt ist, allen Tankfahrzeugen ein oranges Drehlicht auf der Rückseite zu verpassen. Weil das seit einiger Zeit auch bei den riesigen Tankwägen auf der Straße vorgeschrieben ist. Das ist eine ganz feine Arbeit, bei der du nicht nur einen kleinen Feinhaarpinsel und eine ruhige Hand sondern auch ganz viel Gefühl und jede Menge Zeit brauchst. Und so passiert es immer wieder, dass der Franz ganze Tage bei seinen Lastwagen im Keller verbringt. An diesen Tagen ist dann im ganzen Haus die Musik von „Truck Stop“ zu hören. Weil welche Lieder würden besser zu 1.400 Laster passen?
Bei so viel Beigeisterung für Lastautos drängt sich schon die Frage auf, ob der Franz in seinem Leben vor der Pension nicht vielleicht ein Fernfahrer war. Oder mit einem großen Betonmischer gefahren ist oder gar mit einem Bierwagen?
Nein, das hat der Franz nicht getan. Aber mit Lastwagen ist er trotzdem schon als kleines Kind in Berührung gekommen. Die Eltern haben in St. Lorenz immer wieder Lasterfahrern ein Nachtquartier geboten. Die schweren Brummer dieser „Schlafgeher“ sind dann vor dem Haus gestanden und der kleine Franz ist rundum geschlichen, wie um einen Christbaum. Mit offenen Mund und staunenden Augen. Und so hat er schon bald alle schweren Fahrzeuge in- und auswendig gekannt: dreichachsiger Henschel mit riesiger Schnauze. MAN mit Anhänger. Magirus-Deutz mit luftgekühltem Dieselmotor oder als Rundhauber. Steyrer der 300-Serie oder die imposanten Langhuber von Mercedes die immer öfter auch mit Sattelzügen vor dem Haus der Eichridlers zur Nachtruhe abgestellt wurden.
Wen die Sammlerleidenschaft packt, der ist ein Leben lang davon infiziert. Bei Franz Eichridler ist das nicht anderes. Obwohl, seine ganz wilden Jahre sind vorbei. Sagt er zumindest. Und meint damit, dass er nicht mehr jedem Modell hinterherjagen muss. Vor allem nicht um jeden Preis. Aber wenn ihm ein Schnäppchen unterkommt, kann er nicht nein sagen. Und das wird auch in Zukunft so bleiben.
Rupert Lenzenweger -31. 1. 2024-