Ein Bürgermeister spricht Klartext
Eugendorfs Bürgermeister Johann Strasser ist bekannt dafür, dass er sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Jetzt rechnet er in einem offenen Brief mit den Lobbyisten der 380 KV-Freileitung ab und verschont auch die Landespolitiker nicht.
Seit mehr als 20 Jahren bin ich mit dem Thema 380-kV-Leitung konfrontiert. Bevor ich meine Bedenken dagegen vorbringen möchte, darf ich vorausschicken, dass meine Mitstreiter und ich nie gegen die Ringleitung an sich, wohl aber gegen eine durchgehende Freileitung sind und waren.
In der zurückliegenden Zeit hat sich die Technik in der Mobilität, der Telekommunikation, der Landwirtschaft, im Wohnbau usw. ständig und massiv verändert. Nur im Bereich der Stromübertragung von A nach B hat sich buchstäblich nichts verändert (oder verändern dürfen).
Mit der nunmehr erfolgten positiven Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zum UVP-Verfahren für eine komplett oberirdisch geführte 380-kV-Leitung aber sehen wir endgültig, wohin die Reise in Hinkunft gehen wird, will doch unsere aktuelle Regierung die Interessen der Wirtschaft als Staatsziel sogar in die Verfassung schreiben.
Das heißt, dass ab der erfolgten Verfassungsänderung die Interessen der sogenannten Wirtschaft jedenfalls über Einzelinteressen, aber auch die letztendlich alle betreffenden Umweltinteressen zu stellen sind.
Schon jetzt aber scheint in Österreich der Verbund, gemeinsam mit der APG (Austrian Power Grid) und der (Bau)Wirtschaft, der Industriellenvereinigung und einer ohnmächtigen, dem Verbund hörigen Politik, den zulässigen Stand der Technik zu bestimmen.
Und das Bundesverwaltungsgericht scheint hier, wie wir es ja auch bei der jüngst revidierten Entscheidung zu Gunsten einer dritten Startbahn in Schwechat sehen, zum willfährigen Erfolgsgehilfen von Wirtschaft und Regierung zu werden.
Ebenso einige Medien! Wie sonst könnte in der größten Salzburger Tageszeitung am 19. März stehen: „Für den größten Teil der Trasse gebe es schon privatrechtliche Einigung“? Nicht geschrieben wird aber in diesem Artikel, dass es sich dabei um die Einigung mit den Bundesforsten, die vollständig im Besitz der Republik Österreich stehen, handelt.
Ich glaube nicht, dass die Bevölkerung versteht, dass die Entscheidung zu Gunsten der Freileitung als Meilenstein zur Erreichung der Klimaziele Österreichs verkauft wird, während vom selben Gericht nicht einmal drei Wochen später die Genehmigung der dritten Startbahn in Schwechat mit all ihren bedenklichen Umweltfolgen, die ja zuvor zur Ablehnung geführt hatten, erfolgte.
Ich verstehe außerdem die Führungskräfte in unserer Salzburger Landespolitik schon lange nicht mehr in ihrem Verhalten in Sachen neuer Stromleitung. Die gesamte Landesregierung inklusive aller Abgeordneten des Salzburger Landtages sollten sich besser noch einmal den Text zur Angelobung durchlesen!
Hier steht in §7 des Landtags-Geschäftsordnungsgesetzes:
„Ich gelobe unverbrüchliche Treue dem Land Salzburg, die Wahrung seiner Interessen auf der verfassungsrechtlichen Grundlage der demokratischen und bundesstaatlichen Ordnung der Republik Österreich und die gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten als Mitglieder des Salzburger Landtages.“
Ein Gelöbnis auf den Verbund, die APG oder die Bauwirtschaft wurde von niemandem verlangt. Es kann und darf auch nicht so sein, dass nur der kleine Mann, der womöglich an oder unter der angeblich ungefährlichen Leitung zu sitzen kommt, oder der Grundbesitzer, welcher mit fleißiger Hand und seinen Fähigkeiten sein Hab und Gut zu erhalten versucht, für eine Uralttechnik zum Wohle der Aktionäre der APG und des Verbundes (APG ist eine 100% Tochter des Verbundes, der Verbund ist zu 51% im Besitz der Republik Österreich) nicht nur enteignet, sondern auch durch die Freileitung für viele Jahrzehnte mit einem großen Nachteil leben muss.
Dass eine Freileitung mit Sicherheit keinen touristisch verwertbaren Blickfang darstellt, sei hier ebenfalls erwähnt.
Nun zu möglichen Alternativen:
Von dem Augenblick an, da auch die dezentrale Speicherung von Strom in großem Umfang ohne Pumpspeicher möglich ist, werden wir Strom nicht mehr aus unseren Nachbarländern importieren müssen, um Blackouts zu vermeiden.
Die Netze werden sicher mit Stromspeicherung in Wasserstoff, carbonisiertem Wasserstoff oder bislang nur angedachten Methoden zu stabilisieren sein. Die Pilotanlage der VOEST in Linz zeigt ja bereits, wohin die Reise wirklich gehen könnte.
Im Übrigen brauchen wir nicht die Angst vor einem Blackout in erster Linie durch Strommangel haben, die Angriffe durch Hacker und Softwarefehler schätze ich diesbezüglich weit höher ein, wie wir es ja am Beispiel von Flugzeugkatastrophen leider allzu häufig in jüngster Zeit erfahren mussten.
Ich hoffe, dass ich mit meinen Ausführungen zumindest alle Grundbesitzer überzeugen kann, dass sie keine Unterschrift für Grundabtretungen leisten sollen.
Unsere Landespolitiker, gleich welcher Farbe, würden das sicher nicht aushalten, denn es kommen wieder Wahlen, bei denen wir ja alle wieder gebraucht werden.
In diesem Sinne: Kopf hoch! Nur Mut!
Bürgermeister Johann Strasser, Marktgemeinde Eugendorf