Der Maskenmacher von Sardinien
Graziano Viale ist sein bürgerlicher Name. Als er mir aber die kleine Ledermaske überreicht, die ich ihm eben abgekauft habe, kritzelt er „Safir“ auf die Innenseite. Das sei sein Künstlername, erklärt mir Graziano in gebrochenem Deutsch und ermahnt mich: „Paß auf die Maske auf, die ist bald so viel wert wie ein Bild von Dali“.
Dass die Maske jemals besonders viel wert werden könnte, bezweifle ich. Ein schönes Kunstwerk ist sie allemal. Traditionelles Handwerkskunst in höchster Vollendung, hergestellt aus Kalb- oder Rindsleder.
Ich habe Graziano am Aufgang nach Tharros getroffen. Das ist eine der größten Ausgrabungsstätten an der mittleren Westküste Sardiniens. Die Phönizier haben hier vor 4.500 Jahren die erste Siedlung errichtet und in der Folge den ganzen Hang zu einer großen Stadt ausgebaut. Seit 1975 finden hier Ausgrabungen statt und bringen immer wieder atemberaubende Funde zu Tage, die im Museum im rund zehn Kilometer entfernten Cabras zu sehen sind.
Hier also hat Graziano so geschickt seine Werkstatt aufgebaut, dass alle Besucher von Tharros daran vorbei müssen. Graziano braucht nicht viel, um seine kleinen Kunstwerke zu schaffen. In erster Linie natürlich Leder, das er geschickt über Holzmodeln spannt und so der Maske ihre Form gibt. Wie ein Schuster es mit den Leisten für die Schuhe macht. Die groben Umrisse erledigt er mit einem scharfen Messer. Die Details arbeitet er mit Holzwerkzeugen heraus, die ein bisserl an Kochlöffen in allen Größen erinnern. So entstehen Larven in allen Variationen und Größen. Lustige Vögel hat Graziano ebenso in seinem Programm, wie erschreckende Fratzen, die jederzeit auch bei unseren Perchtenläufen Aufsehen erregen würden.
Masken haben in Sardinien eine große Tradition und gehören nicht nur zum Karneval, sondern ab Mitte Oktober auch zu den Brauchtumsfesten, die um diese Zeit in vielen Orten im Landesinneren stattfinden. Barbagia heißt diese Region, die ein starker Kontrast zu den Küstenregionen ist und von massiven Bergen geprägt wird. Den Namen gaben diesem Landstrich die Römern, die bei ihren Eroberungszügen ganz überrascht waren, in Sardinies Bergwelt auf Bewohner zu treffen. Diese nannten sie abschätzend einfach Barbaren.
Rupert Lenzenweger
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