Den Römern auf der Spur

Eine Venus vor zehn Jahren, dann Teile eines Silberbechers und im Vorjahr ein Achill – was kommt noch zutage? In Pfongau in Neumarkt am Wallersee folgen derzeit wieder Studierende der Universität Salzburg den Spuren der Römer im Flachgau. Traditionell mit Schaufel, Kelle und Pinsel sowie mit modernsten technischen Geräten und Drohnen lüften die Archäologen Schicht für Schicht die Geheimnisse eines fast 2.000 Jahre alten Landgutes.

Es handelt sich dabei um die bisher größte Erforschung eines landwirtschaftlichen Wirtschaftsbereichs aus römischer Zeit im Land. „Das ist eine Premiere, nicht nur in Salzburg sondern auch österreichweit. Es ist sicher eine der modernsten Untersuchungen, die wir hier machen“, erklärt Landesarchäologe Raimund Kastler.
15.000 Quadratmeter in elf Jahren
Seit 2008 wird alljährlich im Sommer vier Wochen lang gearbeitet, jedes Jahr graben rund ein Dutzend Archäologie-Studierende an einer anderen Stelle, heuer zum letzten Mal. Rund 15.000 Quadratmeter wurden so in den elf Jahren untersucht. Was folgt sind noch etwa zwei Jahre wissenschaftliche Aufarbeitung der vielen Funde und Daten sowie die Dokumentation. Vielleicht wird dabei auch klar, wie es mit der Villa und dem Wirtschaftsbetrieb zu Ende ging – darüber gibt es unter den Wissenschaftern derzeit noch keine einhellige Meinung.
Siedlungsgeschichte hautnah
„Die Grabungen in Neumarkt liefern wichtige Erkenntnisse zum landwirtschaftlichen Lebensraum im ehemaligen Noricum“, so Landeshauptmann-Stellvertreter Heinrich Schellhorn, der sich gestern von den Grabungsleitern Raimund Kastler und Felix Lang von der Universität Salzburg über die Pläne für diese Abschluss-Saison informieren ließ. „Ich finde es faszinierend, wie gut man hier die Siedlungsgeschichte nachvollziehen kann und damit wertvolle Hinweise für die historische Entwicklung des Landes erhält“, so der Kulturreferent weiter.
5.000 Jahre Landschaftsentwicklung
„Archäologen werden immer mit Schätzen in Verbindung gebracht. Natürlich haben wir auch bedeutende Funde ausgegraben. Der größte Schatz, den wir hier herausgeholt haben, sind aber die die Erkenntnisse über 5.000 Jahre Landschaftsentwicklung. Das bringt die Wissenschaft weiter“, präzisiert Archäologe Kastler die Prioritäten. Und sein Kollege Felix Lang ergänzt: „Unser Ziel ist es, so viel Information wie möglich über das Leben der Bauern in der Römerzeit zu gewinnen. Wie hat die Landwirtschaft funktioniert, welche Tiere wurden gehalten und welche Pflanzen angebaut?“ Soweit der wissenschaftliche Aspekt, der praktische Nutzen liegt darin, dass die Studentinnen und Studenten lernen, wie eine Grabung funktioniert.
Am Anfang war ein Gewerbegebiet
Begonnen hat alles 1987, als bei der Erschließung des Gewerbegebietes Pfongau Teile eines römischen Gebäudes gefunden wurden. Es folgten Rettungsgrabungen, bei denen 1989 drei Steingebäude und ein Holzbau des Gutshofs aus dem ersten bis dritten Jahrhundert nach Christus freigelegt wurden. Bei einer geophysikalischen Untersuchung wurden danach weitere Bauten und Teile der Umfassungsmauer geortet.
Perfekte Zusammenarbeit
Deshalb wurde im Jahr 2008 ein Lehrgrabungsprojekt der Universität Salzburg ins Leben gerufen und in Kooperation mit dem Salzburg Museum, dem Museum Fronfeste und der Stadtgemeinde Neumarkt umgesetzt. „Es ist ein Musterprojekt: Von Anfang an gab es eine perfekte Zusammenarbeit, besonders auch mit den benachbarten Firmen und dem Grundbesitzer“, betonen Kastler und Lang.
Venus und Achill
In elf sommerlichen Grabungsperioden wurde nun der Wirtschaftsteil der Villa rustica mit all seinen dazugehörigen Flächen und bisher elf Gebäuden, unter anderem eine Schlosserei und drei Ziegelbrennöfen, untersucht. Bereits im ersten Jahr wurde dabei eine kleine bronzene Venusstatuette entdeckt, die von den Experten als Sensation bezeichnet wird. Doch ein Fund im Vorjahr stellte selbst diese in den Schatten: Die rund sechs Zentimeter große Statuette zeigt, wie der kleine Held Achill von seiner Mutter Thetis in den Fluss Styx gehalten wird, um ihn dadurch unverwundbar zu machen. Bis jetzt sind keine dreidimensionalen Darstellungen dieser Szene aus der Antike bekannt. Damit ist die Figur einzigartig.