Das Tagebuch der „Crazy Perner Brothers“

Oder: Wieso starten zwei Unteracher bei der verrücktesten Rallye der Welt?

Irgendwo mitten in der mexikanischen Einöde. Weit und breit nur Kakteen und flaches Land. Am Himmel kreisen die Geier, es herrscht bedrückende Stille. Einmal im Jahr, im Oktober, wird diese Stille von lautem Motorengebrüll unterbrochen. Dann nämlich finden sie sich hier ein: Wahnsinnige, Verrückte und Rennsportfreunde aus der ganzen Welt. Gemeinsam zelebrieren sie das vielleicht verrückteste Straßenrennen der Welt, die La Carrera Panamericana.

Nachdem die beiden Brüder, Augustin und Hubert Perner, aus Unterach am Attersee, sich als Zweiter bei der Chihuahua Rallye 2022, das als Vorgeschmack für die Panamericana gilt, bereits einen Namen als „Perner Brothers“ gemacht haben, ging es nun Anfang Oktober zum weltweit irrsten und anstrengendsten Rennen auf öffentlichen Straßen über etwa 4500 Kilometer in Mexiko.
Die La Carrera Panamericana galt lange Zeit als härtestes Rennen der Welt. Die traditionelle Mexiko# Rallye wurde 1950 ins Leben gerufen, gleich nach der Einweihung der Ruta Panamericana, einer Schnellstraße, die Nord# und Südamerika über tausende Kilometer miteinander verbindet. Über komplexe Regeln machte man sich zunächst weniger Gedanken, der Schnellste soll der Sieger sein. In kurzer Zeit gelangte die „La Pana“ zu großer Bekanntheit, war aber ebenso gefürchtet. Bis man sie aufgrund der vielen tödlichen Unfälle bereits nach wenigen Jahren wieder einstellte. Auf meist abfälligen Straßen schossen die Boliden durch den mexikanischen Dschungel, Wüsten und Berglandschaften. Das Glück, einen Abflug zu überleben, hatte nur ein kleiner Teil der damaligen Bruchpiloten. 

1954 verboten, 1988 wiederbelebt

Heute sieht die Sache etwas anders aus. Seit 1988 wird das Rennen wieder ausgetragen, die Sicherheitsvorkehrungen wurden dem modernen Rennsport nach FIA Regeln angepasst. Ein professionelles Ärzteteam folgt dem Renntross auf Schritt und Tritt. Überrollkäfige, Helme, Schalensitze und Renngurte sind im Reglement vorgeschrieben. Zudem werden Motorhaube und Heckklappe vorsichtshalber gleich doppelt gesichert. Wer nun aber glaubt, die neu aufgelegte Carrera Panamericana sei etwas für Opis alten Mercedes, wird in den folgenden Zeilen eines Besseren belehrt. Auf den mexikanischen Straßen ist mit einem Rennpass der Rallye quasi alles erlaubt, einzelne Etappen sind für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Mit dem klassischen Oldtimersport haben diese Fahrzeuge wenig gemeinsam: Spezielle Tankgemische befeuern die umgebauten Motoren mit bis zu 800 PS. Die Piloten tragen Ketten mit ihrer Blutgruppe, die ebenfalls auf Helmen und Türen stehen muss. Unfälle und Überschläge sind auch heute noch an der Tagesordnung. Fast jedes Jahr gibt es Tote und Schwerverletzte, die Trümmerteile und Fahrzeugwracks müssen teilweise per Hubschrauber geborgen werden. Kurios auch, dass die Vielzahl an Polizisten am Straßenrand statt Radarpistolen die Smart-phones zücken, wenn die viel zu schnellen Rennwagen den Highway beackern. Um auf der Strecke zu bestehen, muss man waghalsig sein, wenn nicht sogar ein wenig verrückt.
Mit einem Falcon Super Sprint, Baujahr 1965, 340 PS, V8, 5,0 l geht es gegen 46 Konkurrenten nach einem Warm-Up und Qualifying in Oaxaca um die Startplätze für das Rennen. Wir starten in der Klasse Historic C. Die ersten Boliden fliegen bereits im Warm-up von der Strecke. Weitere sollten noch in den nächsten sienem Tagen der Rallye folgen.
Nachdem es in Mexico fast ununterbrochen seit Mai geregnet hat, waren teilweise die Straßen unpassierbar bzw. in einem extrem schlechten Zustand. Erst zwei Tage vor dem Start hat der Regen aufgehört, als wenn Engel die schützende Hand über die Panamericana ausgestreckt hätten. Nachdem die Startaufstellung geklärt war ging es auf die erste Etappe über 710 km vom südlichen Oaxaca nach Vera Cruz am mexikanischen Golf. In Mexiko herrscht während der Panamericana Ausnahmezustand. Es fällt schwer in Worte zu fassen, was rund um die Strecke alles los ist. Von streunenden Hunden in der Boxengasse über Paradiesvögel mit pinker Perücke, dieses Rennen ist schlichtweg einzigartig. Genauso wie seine Natur. Das Meer in Vera Cruz aufgepeitscht mit hohen Wellen, nachdem von hier erst vor einigen Tagen der Tropensturm in Richtung Florida gezogen ist. Unzählige Fans hatten schon sehnsüchtig auf die Ankunft der Autos gewartet. Autogramme, Fotos, etc. stehen auf dem Programm nach der Zielankunft.
Am zweiten Tag ging es weiter vom Golf von Mexico über Berglandschaften bis zu einer Höhe von 3470 Meter mit einigen Sonderprüfungen, wo wieder einige Fahrzeuge, Porsches, Ferraris, etc. abgeflogen sind. Glücklicherweise alle Unfälle ohne schwere Verletzungen. Nach weiteren 660 Kilometern ging es dann nach Mexico City, wo uns hunderttausende Menschen entlang der Straßen bis zum Hauptplatz empfangen haben. Und wieder trotz Umzingelung von Fans, raus aus dem Auto, Autogramme schreiben, auf Kappen, Leibchen, Poster, etc. und dann für Fotos zur Verfügung stehen.
Am dritten Tag wechseln sich Temperatur und Höhenlage stündlich ab, ebenso wie die Beschaffenheit der Fahrbahn. Mal einwandfreier Asphalt bis zum Horizont, mal taucht hinter der Kurve ein badewannengroßes Schlagloch auf. Es ist der Mix aus all diesen Herausforderungen, der diese Rallye zu einer ganz besonderen macht. Glücklich und zufrieden kommen wir nach weiteren 630 Kilometern in Queretaro an.
Der vierte Tag führt uns auf extrem schlechten Straßen nach Morelia, wo wir als Nationalhelden empfangen werden. Das Fernsehen überträgt unseren speziellen „Jump“, den wir bei einer Sonderprüfung übersehen haben. Wir waren bisher die Einzigen bei all den Rallyes, die diesen extremen Jump ohne Crash überstanden haben. Im Ziel blieb uns natürlich nichts anderes übrig, das Glück, gesund und sicher angekommen zu sein, zu begießen.
Der fünfte Tag führte uns nach Guanajuato, einer der schönsten Städte Mexicos mit ihren bunten Häusern. Auch hier mussten wir den TV-Anstalten Rede und Antwort stehen, wie wir nach diesem Jump die nächste Kurve geschafft haben.
Am sechsten Tag ging es weiter nach Aguascalientes, wo wir leider wieder einige Fahrzeuge aus dem Teilnehmerfeld verloren haben.
Am letzten und siebten Tag der Rallye fuhren wir unter tobenden Applaus von Fans auf die Rampe ins Ziel in San Luis Potosi. Dort wurden wir als Zweiter in unserer historischen Klasse gefeiert als die „Crazy Perner Brothers“, die es als Rookie und mit haarsträubenden Aktionen geschafft haben, das Fahrzeug und uns selbst sicher an das Ziel zu bringen. Ein Erlebnis auf dieser Panamericana, das man nicht in Worte fassen kann, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Motorsport begeisterte Mexikaner und ein Rennen, das in dieser Form niemals in Europa genehmigt und auch durchführbar wäre.
Wir sind froh ein Teil dieser verrückten Familie bei der Panamericana 2024 gewesen zu sein und dass wir speziell gesund wieder nach Österreich zurückkehren konnten.

Hoch den Popsch. Mit diesem „Jump” wurden die Perner-Brüder in der Szene mit einem Schlag berühmt.

W§as wäre ein Donnergrollen gegen den Lärm, den die 340 PS in diesem Falcon Super Sprint machen?

Das Ziel ist erreicht und die Freude über den zweiten Platz ist grenzenlos.