Bei der „Wilden Jagd“ gibt der Tod den Takt an

Seit alter Zeit nahm die Vorstellung vom guten Herrscher, der nicht gestorben ist, sondern im Verborgenen seiner Wiederkunft harrt, einen Platz in der Vorstellung breiter Volksschichten ein. Dieser Glaube war bis in die Neuzeit auch in Europa verbreitet und ist in den unterschiedlichsten Teilen des Kontinents und auf den britischen Inseln bezeugt.
Im Zusammenhang mit der Wilden Jagd existiert folgende Überlieferung: Als die Erdentage des großen Herrschers vollendet waren, wurde er in den Berg entrückt. Er wohnt nicht alleine in den dunklen Tiefen. Könige und Ritter, Fürsten und Edelleute sind um ihn geschart. Ungeheure Schätze lagern in den prunkvollen Sälen und paradiesischen Gefilden, verschlossen in den Tiefen des Berges, hier im höhlenreichen, sagenumwobenen Untersberg.
Historische Funde rund um den Untersberg und den Dürrnberg lassen den Schluss zu, dass schon vor mehr als 2000 Jahren die Menschen Tiermasken zu Kultzwecken getragen haben.
Vor mehr als 150 Jahren fand das damals so genannte „Wilde Jagdlaufen“ statt. 1880 soll dieser Brauch eingestellt worden sein. Im Jahr 1949 wurde nach Beratungen von Edwin Vogel mit dem Leiter der damaligen Heimatpflege Kuno Brandauer der Brauch wiederbelebt. Die Masken wurden nach Entwürfen des begabten jungen Bildhauers Werner Dürnberger neu entworfen und geschnitzt. Die Kenntnisse zur Durchführung sowie die überlieferte Melodie des Tresterertanzes wurden auf der Basis der überlieferten Quellen aufgefrischt.
Die Wilde Jagd soll den Zug der Seelen darstellen, die nach alten heidnischen Bräuchen in der Rauhnachtszeit ihre Familien aufsuchen. Dies geschieht immer am zweiten Donnerstag im Advent. Die Wilde Jagd findet im sogenannten „Weichbild des Untersberges“ statt, also in Gemeinden, die rund um den Untersberg angesiedelt sind, oder – wie in der Sage erzählt wird – im Herrschaftsgebiet des Riesen Abfalter.
Die Gesellschaft der Wilden Jagd wurde ursprünglich vom Hauptgott Wotan angeführt, ihm eilt der Tod als Rufer voraus. Die heilige Zahl 12 bestimmt die Anzahl der Perchten. Der Ort bleibt geheim. Die wilde Jagd soll der Überlieferung nach möglichst überraschend aus dem Dunkel der Nacht und nur in Begleitung von Fackelträgern bei den Bauernhöfen auftauchen.
Dort tanzen die Perchten den Tresterer, einen Perchtentanz, der aus der Region zwischen Berchtesgaden und dem Pinzgau stammt und den Bauersleuten Glück und Fruchtbarkeit in Haus und Feld bringen soll.
Die Perchten bringen nach altem Glauben Glück, wenn sie die Menschen berühren. Sie haben keine Ketten oder Ruten bei sich und schlagen nicht, sondern zerren die Zuschauer höchstens ein Stück weit mit und vertreiben das Unheil. Die Schellen und Glocken gelten allgemein als Glücksbringer und sollen mit ihrem Klang die bösen Geister vertreiben und die Erde wieder aufwecken.
Die Perchten kündigen ihr Treiben mit Trommelschlägen, Geschrei und Gebrüll an, stürmen rund ums Haus und vertreiben durch lautes Poltern alles Böse und Unreine. Der Tod holt durch seinen Trommelwirbel und den dreimaligen Trommelschlag alle Perchten zur Referenz zusammen. Darauf folgt der Schrei des Hahnengickerls, die Hex‘ kehrt den Platz sauber und zeichnet mit ihrem Besen ein Kreuz als Zeichen für Neues, Gutes und Fruchtbares in den Boden.
Wieder schreit der Hahnengickerl und der Vorgeher beginnt mit dem Spruch: „Glück hinein, Unglück hinaus, es ziagt des Wilde Gjoad ums Haus.“
Es folgt wildes Treiben der Perchten rund ums Haus, dann trommelt der Tod abermals zum Zusammenkommen und zum Tanz. Die Schwegler spielen den überlieferten Tresterer, der einen Stampf- und Springtanz darstellt, mit seinem Achter als Fruchtbarkeitssymbol. Neun Perchten tanzen Figuren, springen im Kreis und im Achter. Der Tod gibt den Takt mit seiner Trommel an, nur die Hex und die Habergoaß müssen zuschauen.
Nach wildem Treiben und abermaligem Trommelwirbel schreit zum Abschluss noch einmal der Hahnengickerl. Der Rabe kräht zur Reverenz, die Perchten verneigen sich zur Erde und bringen so den Bauersleuten Glück, Segen und Fruchtbarkeit für Mensch und Tier, für Haus, Hof und Feld. Dann verschwindet die Wilde Jagd wieder genauso schnell und laut in der Dunkelheit, wie sie gekommen ist und zieht weiter zum nächsten Bauernhof.
Die Bauersleute bedanken sich für‘s Kommen ausschließlich mit Naturalien. Sie erhalten Brot, Speck und Käse, Schnaps und Wein, die die Kraxenträger sammeln und anschließend beim Wirt gemeinsam mit den Perchten verzehren.
Quelle: www.jungalpenland.at/wildeJagd

 


Die Wilde Jagd vom Untersberg, in Marktschellenberg am 14.12.2023 Foto und Copyright: Moser Albert, Fotograf, 5201 Seekirchen, Weinbergstiege 1, Tel.: 0043-676-7550526 mailto:albert.moser@sbg.at www.moser.zenfolio.com