Alte Handwerkskunst neu entdeckt
Jeder hat sie. Jeder braucht sie. Für Viele sind sie Alltagsgegenstände, denen man wenig Beachtung schenkt und nach kurzer Zeit gegen ein anderes Modell austauscht. Für andere wiederum sind sie eine Kunstform, handwerkliche Meisterstücke, treue Begleiter fürs Leben. Die Rede ist von Schuhen.
Passen müssen sie, schön aussehen sollten sie, pflegeleicht müssen sie sein und eine möglichst lange Haltbarkeit sollten sie auch noch aufweisen. Dass all diese Anforderungen kaum von Billigschuhen, die in Massen produziert werden, erfüllt werden können ist klar. Manuela Kendler, die in ihrer Wahlheimat Seeham im alten Wagnerhäusl eine Schuhwerkstätte betreibt, schafft diese Anforderungen allerdings.
Schuhmacher ist kein sehr gängiger Beruf. Wie sind Sie dazu gekommen?
Kendler: „Ich habe recht breite Füße, daher haben mir die Schuhe aus dem Geschäft nie richtig gepasst. Das war der ausschlaggebende Grund, dass ich eine Lehre zur Schuhmacherin in einer kleinen Schuh-Werkstätte in Wien gemacht habe. In Lochen in der Mattigmühle hatte ich meine erste eigene Werkstatt, bevor ich meine jetzige Werkstatt im alten Wagnerhäusl eröffnete.“
Es gibt überhaupt nicht mehr viele Schuhmacher, aber weibliche Schuhmacherinnen noch viel seltener.
Kendler: „Das stimmt, Frauen gibt es nicht besonders oft in meinem Beruf. Anfangs hatte ich auch mit Vorurteilen zu kämpfen, dass Frauen beispielsweise nicht genügend Kraft dafür haben und so weiter. Im Berufsalltag sehe ich als Frau aber keine Nachteile, solange man scharfes Werkzeug hat (schmunzelt). Die einzige Zeit, in der ich meinen Beruf nur schwer ausüben konnte, war meine Schwangerschaft. Es ist schwer bis unmöglich einen Schuh zu nähen, wenn man nicht am Babybauch vorbei sieht.“
Welche Schuhe werden von Ihnen gefertigt?
Kendler: „Ich biete zwiegenähte und rahmengenähte Schuhe an. Von eleganten Schuhen, Berg-, Alltags- und Winterschuhen bis hin zu Sandalen ist alles möglich. Nur Kinderschuhe sind derzeit, auch wegen der langen Wartezeit, bei mir nicht erhältlich.“
Was sind zwiegenähte Schuhe?
Kendler: „Diese Machart kommt vor allem bei eher robusten Schuhen wie Bergschuhen vor. Dabei wird der Rahmen von der Seite an der Sohle genäht. Das auffälligste Merkmal ist die doppelte Naht. Bei dieser Machart werden die Schuhe auch waserdichter.“
Welche Schuhe werden am häufigsten bestellt? Und sind mehr Männer oder Frauen Käufer?
Kendler: „Die größte Nachfrage ist nach eleganten Alltagsschuhen. Und das Verhältnis der Käufer zwischen Mann und Frau ist sehr ausgeglichen.“
Können Sie etwas über die Verarbeitung erzählen?
Kendler: „Bei der Verarbeitung ist mir wichtig, so traditionell wie möglich zu arbeiten. Ich nähe die Schuhe lieber, als dass ich klebe. Es ist sozuagen meine Art der Meditation. Das Leder, welches ich verwende, ist hochwertig und stammt großteils aus dem Allgäu und ist zertifiziert pflanzlich gegerbt.“
Wie entsteht ein Schuh eigentlich?
Kendler: „Wenn ein Neukunde zum ersten Mal bei mir ist, mache ich zuerst einen Blaudruck, damit ich den Fußabdruck habe. Dann wird ein Holzleiste nach Maß abgeändert und ich fertige einen Testschuh an. Dieser wird vom Kunden anprobiert und perfekt an den Fuß angepasst. Anschließend entsteht erst das fertige Paar Maßschuhe. Die Holzleisten bleiben bei mir in der Werkstatt, wenn der Kunde ein weiteres Paar Schuhe bestellt geht die Herstellung der Schuhe somit schneller.“
Wie lange dauert es, bis ein Schuhpaar fertig ist?
Kendler: „Für ein Paar rahmengearbeitete Schuhe benötige ich in etwa 60 Arbeitsstunden. Dazu kommt noch die Trocknungszeit, da viele Arbeitsschritte mit nassem Leder ausgeführt werden.“
Wie lange ist die Wartezeit bei Neubestellungen?
Kendler: „Dank der guten Auftragslage müssen meine Kunden mittlerweile mit etwa eineinhalb Jahren rechnen.“
Sie haben auch Barfußschuhe im Angebot. Wie lange ist die Wartezeit für diese?
Kendler: „Die Barfußschuhe sind in rund zwei Wochen fertig. Sie sind mit etwa 230 Euro auch kostengünstiger. Das Leder und die Farbe kann man sich natürlich trotzdem aussuchen!“
Welche Produkte findet man noch in Ihrer Werkstatt?
Kendler: „Ich verschwende ungern Lederwaren. Aus den Lederresten stelle ich daher Geldbörsen oder auch Taschen her. Natürlich kann man bei mir auch Pflegeprodukte für die Schuhe und Gutscheine kaufen.“
Kann man bei Ihnen auch Schuhe und Lederwaren reparieren lassen?
Kendler: „Von mir gefertige Schuhe werden selbstverständlich auch repariert. Alles weitere kann ich aufgrund der sehr guten Auftragslage nicht zur Reparatur annehmen.“
Frauen und Schuhe – meistens eine große Liebe. Wie viele Paar Schuhe stehen bei einer Schuhmacherin im Kasten und wie viele sind davon gekauft?
Kendler (lacht): „Gekauft werden bei mir nur Kletterschuhe. Tatsächlich habe ich selbst aber aufgrund des Zeitmangels nur sehr wenige Schuhe!“
Interview: Elisabeth Dürnberger