VOLLMOND 2-2022

46 VOLLMOND 6/2022 Geheimnisvolle Misteln NATUR - im Mondseeland Bevor der heutige Tan- nenbaum in Mode kam, wurden Haus und Hof zu Weihnachten mit winter- grünen Mistelzweigen ge- schmückt. Noch heute ist ein Mistelzweig über der Tür eine beliebte Weih- nachtsdekoration. Büsche die vom Himmel fallen Lange Zeit war das Wachstum der Mistel- Pflanze ein Rätsel: kugelar- tige Gewächse von bis zu einem Meter Durchmesser hoch oben in den Bäumen, scheinbar ohne Wurzeln und auch im Winter grün. Sie müssen von den Göttern gesandt sein und selbst über Zauberkräfte oder wenigs- tens Heilkräfte verfügen. Also hängten sich die Men- schen Misteln zum Schutz vor Hexen und bösen Geis- tern an die Hauswand. Alte Heilpflanze Schon der griechische Arzt Hippokrates hat Mis- teln vor über 2.300 Jahren als Heilpflanze eingesetzt. Auch bei den Germanen und den Kelten galten sie als heilig. Die Priester der Kelten, die Druiden, brau- ten daraus Zaubertränke – Allheilmittel, die angeb- lich gegen alles halfen und in den Wirtsbaum und ernäh- ren sich fortan als Schmarot- zer von dessen Wasser und Mineralstoffen. Küssen unterm Mistelzweig Die Germanen schnitten zur Wintersonnwende Mistel- zweige als Glücksbringer ab. Wahrscheinlich übernahmen die Christen diesen Brauch und schmückten an Weih- nachten Haus und Hof mit den immergrünen Zweigen. Treffen sich ein Junge und ein Mädchen unter demMis- telzweig, dürfen sie sich küs- sen. Die weißen Misteln gal- ten dabei früher als „Kuss- kugeln“: Der Junge durfte das Mädchen so oft küssen wie Kugeln am Zweig wa- ren. Bei jedem Kuss wur- de eine Beere abgenommen und wenn die Beeren aus waren, gab es auch keine Küsse mehr. Bild: Albert Moser die außerdem Kraft, Mut und Unbesiegbarkeit verliehen. Auch die Kräuterkundler des Mittelalters nutzten sie gegen erfrorene Gliedmaßen oder zum Blutstillen. Auch heute wird die Pflanze in der Medi- zin verwendet: zum Beispiel gegen Entzündungen, Krämp- fe und auch in der Krebsthe- rapie. Wie kommt sie auf den Baum Die Mistel blüht von März bis April, die Beeren sind im Dezember reif und werden gern von Misteldrosseln und Amseln gefressen. Durch de- ren Mist verbreiten sich ihre Samen – daher auch der Na- me Mistel. Die Samen sind unverdaulich und umgeben von einem klebrigen Schleim. So bleiben sie auf den Ästen kleben und können dort kei- men. Die Pflanze „wohnt“ auf dem Baum. Die Keimlinge treiben ihre Wurzeln (Senker)

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