VOLLMOND 2-2022

Der verfluchte Hundsmarkt SAGE aus dem Mondseeland A 22 VOLLMOND 6/2022 m Ende des stillen Tales, wo der Müh- lenbach schon ge- mächlich in Richtung Fuschlsee fließt, steht noch heute eine große Mühle. Früher gehörte sie einem be- sonders fleißigen Müller der eine Reihe von Mahlleuten beschäftigte. Jährlich, gera- de am Weihnachtstag, kamen auch die Wildhüter der um- liegenden Herrschaftsgebiete mit ihren scharfen Hunden zur Mühle um den „Hundsha- ber“ abzuholen. Schallendes Lachen, Kreischen und Sauf- lieder dröhnten an diesem Tag aus den Mühlengemäuern und es herrschte ein fideles Treiben wie auf einem Jahr- markt. Draußen aber bellten die jaulenden Hunde und an allen Ecken und Enden des Hauses wurde gefeilscht und gehandelt. Einmal ereigne- te es sich, dass die Jäger am Christtag, anstatt in frommer Besinnlichkeit sich auf das Fest vorzubereiten, beson- ders übermütige Tänze und Kartengelage ausführten. „Ihr gottlosen Prasser!“, rief ihnen der alte Müller mah- nend zu, „wisst ihr denn nicht, welch hoher Festtag heute ist? Kommt lieber mit mir in die Mette, bevor euch die himmlische Strafe ereilt!“ Die übermütige Schar lachte aber nur höhnisch über sei- ne Worte und gab sich noch mehr dem schändlichen Ver- gnügen der Sauferei hin. Sie schrien dem Müller nach: „Wenn du willst, nimm aber unsere Hunde mit, die sollen für uns gehen!“ Als der Alte vom Metten- gang zurückkehrte, erlo- schen im selben Augenblick die Lichter und der Boden begann zu beben. Die Schau- feln des Rades quietschten grell und ein unheimliches Heulen und Brausen erfüllte die Luft. Mit einem ohren- betäubenden Knall sprang die Tür auf und ein großer, schwarzer Hund mit glühen- den Augen stürzte herein und schrie: „Auch ich komme von der Mette zurück!“ In der gleichen Sekunde wuchs der Rücken des ekeligen Tie- res bis zur Decke des Müh- lengebäudes und aus den Augen des Hundes fackelten rote Feuerräder. Wie zucken- de Blitze fuhren die Lichter- schlangen durch die Stube und als sie zischend verglos- ten, waren keine Jäger mehr zu sehen. Auch das Heulen der Jagdhunde vor der Mühle war verstummt. Von diesem Tag an standen die Schaufeln des Mühlenrades still und nur in der Christnacht konnte man von der Mühle her Bel- len und Grölen, Feilschen und Singen hören. Nach der Mettenstunde bewegte sich der Spuk mit den jaulenden Hunden und schreienden Wildhütern Richtung Hunds- bichel und verstummte dort. „Heute war wieder Hunds- markt“, flüstern dann die Eg- ger hinter den Fenstern ihrer Häusern. Informationen zur Sage: Die Wildhüter und Über- reiter des Gerichtsbezirkes Wartenfels hatten für die Jagdhunde zu sorgen, wel- che man bei größeren Jag- den verwendete. Für die Haltung dieser Tiere war seit alters her der „Hundhaber“ bestimmt, der als Natural- abgabe Korn zugunsten des Pflegers bei der Mühle ein- gesammelt wurde. Sagenquelle aus dem Buch: Goldbrünnlein und Drachen- wand. Sagen und Märchen einer Landschaft für Erwach- sene und Kinder, Illustratio- nen Heilgard Maria Bertel, Herausgeber, Verleger Prof. MMag. DDr. Bernhard Bal- thasar Iglhauser, Verkauf: im Gemeindeamt Thalgau

RkJQdWJsaXNoZXIy MTA1MzE0