VOLLMOND 6-2024

Das Goldbrünnlein SAGE aus dem Mondseeland E 24 VOLLMOND 6/2024 ines Tages vor dem heiligen Weihnachts- fest klopfte es beim Hintergöttern in Thal- gauegg am Haustor. „Kann ich in dieser kalten Nacht ein Quartier bekommen?“ fragte der Mann von ungewöhnlich hohem Wuchs und dunklem Antlitz. Sein roter Mantel blähte sich wie ein dickes Se- gel. Ganz geheuer war der Besucher dem Bauern nicht, aber er ließ in trotzdem ein- treten. Erst jetzt erkannten die Bauersleute wie fein gekleidet der Besucher war. Bevor er in seine Schlafkammer ging übergab er dem Bauer ein zu- sammengerolltes Paket mit den Worten: „Bewahre es mir gut auf! Es ist mein größter Be- sitz und ich brauche es morgen früh, wenn ich aufbreche!“ Die Bauersleute nickten, aber nach kurzer Zeit packte sie die Neu- gierde und sie öffneten vor- sichtig das Paket. Flink lösten sie die Schnur und sie fanden sechs kleine weiße Säckchen mit weißem Leinen verpackt. Kaum wollte der Bauer diese umdrehen, schien ihm fast ein Feuer im Finger zu brennen. Neben den Säckchen lag noch ein runder, seltsamer Spiegel. Die Bäuerin flüsterte: „Der Fremde steht mit den geheimen Mächten im Bunde, dies ist ein Erdspiegel. Er lässt einem Schätze und Kostbarkeiten ent- decken, die sonst den Augen verborgen bleiben!“ Am frü- hen Morgen nahm der sonder- bare Gast zeitig Abschied und schlug seinen Weg direkt nach der Burg Wartenfels ein. Der Bauer war so neugierig, dass er ihm folgte. Der Bauer verlor aber die Spur des unheimlichen Gastes. Am nächsten Tag tob- te ein Schneesturm. Die Bau- ersleute schickten sich an zur Mette nach Thalgau zu gehen als es erneut klopfte. Der Bauer öffnete die Tür und fand einen angehefteten Zettel mit den Worten: „Ich hab´es gefunden, das Goldbrünnlein fein, füllt die Säcklein mit Goldkörnern klein. Das Brünnlein, es fließt nur ein- mal im Jahr, damit ihr es wisset, bring Kund´ich euch dar! Auf Wartenfels Höhen, in heiliger Nacht, da sprudelt ein Bächlein in goldiger Pracht. Der Erd- spiegel war mir heute gar hold, ich schöpfte im Brünnlein das herrlichste Gold!“ Da schlüpfte der Bauer in seine Stiefel und stapfte zum Schoberberg hinauf, das Wartenfelser Goldbrünnlein aber war bereits längst wieder versiegt. Ursprung der Sage: Die Sagen von den Goldmen- gen des Brünnleins bei der Burg Wartenfels wurde sogar an den Lagerfeuern im Vorderen Orient erzählt. Oft kamen prächtig ge- kleidete Fremde nach Thalgau und suchten jemanden, der sie in der Nacht zur Ruine Wartenfels führen sollte. Manchmal fanden auch Jägersleute Goldkörner herumliegen, aber aus ihren Ge- wandtaschen kamen dann im- mer nur schmutzige Steine zum Vorschein. Von einem „golde- nen Bründl“ am Fuß der Dra- chenwand, wo der Klausbach fließt, wird ebenfalls berichtet. Diese Quelle soll unter einem Buchenstock entsprungen sein. Sage aus dem Buch: Goldbrünnlein und Drachen- wand. Illustrationen Heilgard Maria Bertel, Herausgeber, Verleger Prof. MMag. DDr. Bernhard Balthasar Iglhauser, Verkauf: im Gemeindeamt Thalgau

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