VOLLMOND 5-2020

SAGE aus dem Mondseeland 18 VOLLMOND 5/2020 rüher stand an die- ser Stelle im Hoch- feld inmitten saf- tiger Wiesen und fruchtbarer Äcker ein stattlicher Bau- ernhof. Scheunen und Keller waren gefüllt mit Feldfrüch- ten, die Stallungen waren voll mit Vieh und Geld und Gold lag in den Truhen. Der reiche Bauer war jedoch sehr geizig. Oft konnte man ihn am Abend durch das Fenster beobachten, wie er mit habgierig verzerr- tem Gesicht sein Gold zählte. Weit im Umkreis sprach man vom „Goldbauern“, der sich dem Teufel verschrieben habe. Er lachte nie und ließ jeden Armen, der um Almosen bet- telte, durch seine zwei riesigen schwarzen Hunde verjagen. Einmal im Herbst klopfte eine abgemagerte Frau mit ei- nem blassen Buben an die Türe des Bauernhauses und bat fle- hentlich um Arbeit. Der Bauer schickte sie schimpfend weg. Da bat die Frau um ein Stück Brot. Der Bauer jagte sie fort und drohte mit den Hunden. Als die Frau beim Birnbaum vorbeiging, bückte sich der Knabe um eine Birne. Da ge- riet der Bauer so in Wut, dass er mit dem Ochsenziemer und seinen Hunden aus dem Haus stürzte und der Frau nach- lief. Doch die Hunde konnten nicht beißen und vor dem er- schreckten Bauern stand plötz- lich hoch aufgerichtet die Frau und das Kind. „Ich bin die Fee vom Koglerberg“ sprach die Frau, „und ich wollte dir noch einmal die Hand zur Rettung reichen. Nun aber sollst du für deine Hartherzigkeit büßen.“ Da verschwand der Hof mit all den Reichtümern und der Bau- er wurde in einem verkrüppel- ten Birnbaum verwandelt, der die Äste wie magere Hände in den sturmumbrausten Himmel reckte. Information zur Sage Auf dem höchsten Punkt des sogenannten Hochfeldes (frü- her Gemeindegebiet Oberho- fen, heute Straßwalchen) stand bis vor ein paar Jahren ein alter, verwitterter Baum. Gespen- tisch reckte er seine kahlen Äste gegen den Himmel. Aus allen Himmelsrichtungen brau- sen dort die Winde heran und diese Stelle gilt als der kältes- te Teil des ganzen Salzburger Flachgaues. Heute steht dort ein neuer Birnbaum, nachdem der Blitz in den alten Baum eingeschlagen ist. Sonntagskinder, die in den Rauhnächten am „kalten Birn- baum“ vorübergehen, können die beiden schwarzen Hunde herumschleichen sehen und aus dem knorrigen Baum hö- ren sie dann ein leises Wim- mern und Klagen. Wer von den kleinen, bitteren Birnen des Baumes isst, der soll ein so hartes und kaltes Herz be- kommen, wie der Bauer vom Hochfeld. Sagenquelle aus dem Buch: Wundersames Mondseeland. Sagen, Legenden, Erzählungen für Kinder und Erwachsene. Gesammelt und neu erzählt von Anton Reisinger, illustriert von Agneta Gräfin von Almeida, Verlag omnipublica, ISBN-10: 3-9502162-4-3, Euro 14,- Verkauf: in allen drei Mondseer Museen, info@museummondsee.at

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