VOLLMOND 4-2024

VOLLMOND 4/2024 33 Knapp fünf Stunden lang dauert die Schiffsreise von der Ablegestation Buszyniec (links) bis nach Elblag (rechts), wo der Ober- länder Kanal das gleiche Niveau wie die Ostsee hat. tere Folge des Kanals. Denn die vielen Arbeiter brauchten nicht nur Essen und Trinken, sondern viele von ihnen auch ein Nachtquartier. Zuerst bo- ten Bauern Kost und Log- gis an, dann wurden immer mehr Wirtshäuser daraus. Der Kanal hatte damit auch den Menschen an seinen Ufern zum Wohlstand verholfen. Erst zwanzig Jahre nach der Fertigstellung zogen die ersten dunklen Wolken auf. Die Dampflok war erfunden. Ein technisches Meisterwerk, das sich Eisenbahn nannte, eroberte die Welt. Auch ent- lang des Oberländer Kanals. Gleise waren schnell verlegt und die Transportkapazitäten der Züge waren beinahe un- begrenzt. Der Kanal wurde immer weniger für den Holz- transport genutzt und drohte letztendlich ganz zu verwai- sen. Bis 1912 die „Seerose“ kam. Sie war das erste Touris- tenschiff auf dem Oberländer Kanal und läutet eine neue Ära ein, die noch bis heute anhält. An Bord ist Hochstim- mung, obwohl das Schiff noch am Steg der Haltestel- le Buszyniec (Buchenwald) liegt. Bierdosen zischen, Flachmänner mit Wodka, den es in Polen in schier unüber- schaubar vielen Geschmacks- richtungen gibt, kreisen. Jau- senbrote werden ausgepackt. Stärkung tut auch not, denn knapp fünf Stunden wird die Fahrt bis nach Elblag dauern. Dabei geht es auch über den Drausensee. Ein je nach Was- serstand bis zu 1.700 Hektar großes Naturschutzgebiet, in dem mehr als 150 verschiede- ne Vogelarten ihre Brutplätze haben. Mit einem Ruck setzt sich das Boot in Bewegung und schon nach wenigen Metern muss der Kapitän zentime- tergenau steuern. Es geht auf die erste Lore. Die ist tief im Wasser, nur zwei Geländer sind links und rechts zu se- hen. Die dreiköpfige Crew ist eingespielt. Noch wäh- rend der Kaptiän das Boot schwimmend auf den Wagen steuert, werden die Leinen festgemacht und das Boot verankert. Ein Hammerschlag auf einen Gong informiert den Schleusenwärter am Gipfel des Rollberges, dass die „Kormoran“ abfahrbereit ist. Das Wasser wird auf das Schwungrad umgeleitet und das Schiff auf dem fahrbaren Untergestell nach oben ge- zogen. Langsam kommt der 28 Tonnen schwere Wagen immer weiter aus dem Was- ser und trägt das 50 Tonnen schwere Schiff wie ein Zug über den Berg. Fünf Mal machen die Pas- sagiere dieses Schauspiel mit. Und mit jedem Rollberg kehrt schlagartig Ruhe ein. Nix jausnen oder trinken. Einfach nur schauen ist angesagt. Transportschiffe gibt es auf dem Oberländerkanal längst keine mehr. Neben den Pas- sagierschiffen, die jährlich mehr als 30.000 Fahrgäste befördern, nutzen auch pri- vate Bootsfahrer den Kanal. Und so schweben neben Mo- tor- oder Fischerbooten auch Segelyachten über das Land. Seit 1992 hat die Stadt Ost- róda den Betrieb des Kanals und den Schutz des Ökosys- tems in der Kanalumgebung übernommen. Die Ausflugs- schiffe verkehren seither fahr- planmäßig von 1. Mai bis 30. September. Besonders in der Hauptsaison ist es ratsam, sich vorab Fahrkarten online zu reservieren. Mehr Reportagen über ei- ne Reise mit dem Wohn- mobil durch Polen finden Sie auf www. f l a chgau . t v im Bereich Reisen & Freizeit Rupert Lenzenweger Auf den Schiffen herrscht durchwegs ausgelassene Stimmung.

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