VOLLMOND 4-2024

Das Nixloch SAGE aus dem Mondseeland V 26 VOLLMOND 4/2024 iele Jahre ist es her, da ritt eine stolze Jungfrau aus dem Ge- schlecht der Hüttensteiner nach Wartenfels, um dort den verwandten Herrschaften einen Besuch abzustatten. Im Wald sah sie plötzlich eine sonderbare Gestalt mit schup- pigen Fischleib zappeln und jammern. Das seltsame We- sen war ein Wassermann aus dem Eibensee. Der Unglück- liche war beim Sonnenbaden an einem Baum lehnend ein- geschlafen und am Baumharz festgeklebt. „Hilf mir!“, bat er flehentlich. Die Hüttsteinerin aber sagte: „Du schleimiger Nix, wie kannst du verlangen, dass ich mir meine Hände und prächtigen Kleider schmutzig mache, nur um dich zu befrei- en!“ Mit einem verachtenden Blick gab sie ihrem Pferd die Sporen. Da verwandelte sich das Männlein in eine ehr- furchtsgebietende Gestalt mit grünschimmernden Barthaa- ren und rotleuchtenden Haa- ren. „Sei verflucht für deine herzlose Tat, mich, den See- fürsten hier sterben zu lassen! Nie sollst du die Deinen wie- dersehen.“ Die lieblose und harte Jungfrau wurde in ein Wesen, halb Nix, halb Frau verwandelt und durch einen gewaltigen Windstoß in eine Felsenhöhle im Inneren der Drachenwand verbannt. Alle hundert Jahre nur durfte sie aus der steinigen Behausung hervorkriechen, um auf den zu warten der sie mit einem Kuss erlösen soll. Einmal an einem herrlichen Sommertag war sie schon aus dem finste- ren Gefängis hervorgekom- men. Niemand traute sich in die Wand aufzusteigen, nur ein einziger tapferer Jäger entschloss sich, das gefährli- che Wagnis einzugehen. „Fürchte dich nicht!“ rief die Nixenfrau schon von wei- tem, „Ist mein Anblick jetzt noch grauenhaft, so wird dich Liebe und Glück umhüllen, wenn du mir den Kuss der Erlösung gibst!“ Von Mitleid ergriffen, versprach der Bur- sche, keine Angst zu zeigen. Aber bereits beim Betreten der Höhle packte ihn das Ent- setzen. Ein einziges Auge strahlte wie ein Leuchtturm am Gesicht des hässlichen Wesens und der Schuppen- körper glich einem Fisch. Aus dem dichtbehaarten Frauen- gesicht kam ein eisiger Atem hervor der dem Jäger frostig entgegeblies. Zweimal ver- suchte er ihr näher zu kom- men, stolperte aber rückwärts und stürzte über den Rand der Felshöhle. Mit einem Weh- klagen nahm die Unglück- liche den toten Körper des Jägers auf und verschwand in der finsteren Höhle. Von dichtem Buschwerk und Baumgestrüpp verdeckt, ist das Nixloch noch heute in der Drachenwand zu sehen und sogar Knochen wurden in der Höhle gefunden. Informationen zur Sage: Das Nixloch befindet sich an der westlichen Umrandung des Wildmooses (an der Schatz- wand) beim Eibensee. Es ist eine zum Großteil niedrige, über 50 Meter tiefe Höhe, die mehrere Kamine von bis zu sechs Metern Höhe aufweist. An den Wänden befinden sich reichlich Kalksinter bezie- hungsweise Bergmilch, in der Gegend auch „Nix“ genannt. Angeblich als Heilmittel ver- wendet – deshalb wurde dem Wasser des Eibenseebaches Heilwirkung zugeschrieben. Sage aus dem Buch: Goldbrünnlein und Drachen- wand. Illustrationen Heilgard Maria Bertel, Herausgeber, Verleger Prof. MMag. DDr. Bernhard Balthasar Iglhauser, Verkauf: im Gemeindeamt Thalgau

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