VOLLMOND 4-2021

14 VOLLMOND 4/2021 m Süden von Thalgau erstreckt sich hoch über dem Irrsee ein bewaldeter Höhenrücken, der in ganz alten Karten und Erzählunge- nen noch keinen Namen hatte. Die Legende berichtet, dass einst der irländische König- sohn Koloman auf seiner Pil- gerreise nach Jerusalem in diese Gegend kam. Der stattli- che Mann war mit einem roten Umhang bekleidet, über den sein schulterlanges Haar hin- abfiel. Nach den bereits langen und großen Strapazen der Wall- fahrt ist sein Körper ausgezehrt und geschwächt gewesen. Die Wunden an den Beinen und die quälenden Entzündungen in den Augen schmerzten ihn derart, dass er dringend einen Platz zur Genesung seiner Lei- den suchte. Plötzlich sah Koloman im dichten Fichtenforts an der obersten Kuppe eine freie, blumenübersäte Wiese. Er- schöpft sank er in das weiche Gras und schlief sofort ein. Als er nach einigen Stunden erwachte, wurde er von einem großen Hungergefühl befal- len. Sogleich bemerkte er, wie ihm kleine Waldvögel durch ihr aufgeregtes Zwitschern den Weg zu Sträuchern mit köstli- chen Beeren wiesen. Es dauer- te auch nicht lange, dass scheue Rehe aus dem Unterholz her- vortraten und ihm Plätze mit genießbaren Schwämmen, Kräutern und nahrhaften Wur- zeln zeigten. Bald jedoch wur- de er von einem brennenden Durst gequält und betete zum Schöpfer, ihm zu helfen. Plötz- lich verstummte für einen kur- zen Augenblick das Konzert der Vögel und das Rauschen der mächtigen Baumwipfel. Als er aufschaute, sah er vor sich aus dem Wiesenboden ei- ne Quelle sprudeln, die sich in einer kleinen Mulde sammelte. Freudig schöpfte Koloman mit seinen Händen das klare Nass heraus und wusch sich das Ge- sicht. Als er diesen Vorgang wiederholte, sah er im Spiegel des Wassers, dass seine Ent- zündungen in den Augen ver- schwunden waren.Und als er den Verlockungen nicht wider- stehen konnte, die Füße in das Quellwasser zu halten, verheil- ten im gleichen Moment alle Blasen und Wunden. Nachdem sich Kolomann noch einige Ta- ge erholt hatte, setze er seine Pilgerwanderung fort. Der bis- her namenlose Berghügel und das heilende Wasser erhielten im Volk seinen Namen. Das silberhelle, glänzende Quell- wasser wurde seither als Heil- mittel gegen Glieder- und Au- genleiden von den Besuchern der Gnadenstätte am „Kolo- mansberg“ verehrt. Sagenquelle aus dem Buch: Goldbrünnlein und Drachen- wald. Sagen und Märchen einer Landschaft für Erwach- sene und Kinder, Illustra- tionen Heilgard Maria Bertel, Herausgeber, Verleger Prof. MMag. DDr. Bernhard Baltha- sar Iglhauser, Verkauf: im Ge- meindeamt Thalgau I Der namenlose Berg SAGE aus dem Mondseeland

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