VOLLMOND 4-2018
August SOMMER IM MONDSEELAND Pilger M ein vierjäh- riger Enkel- sohn hat alle Zeit der Welt. Jeder Stein wird fünfmal umgedreht, be- vor wir den Weg fortsetzen können. Jede Lache ist ein Forschungsfeld das stunden- lang untersucht werden könnte und ein Blumerl, sei es auch noch so klein, erzwingt sofort eine Pause mit genauester Be- trachtung der bunten Blätter. Was meinen kleinen Helden so verzückt und uns praktisch nie an unser Ziel kommen lässt, macht mich manchmal nervös. Ich steh´ dann da und beant- worte die vielen Fragen des kleinen Knirpses, obwohl ich eigentlich schon längst weiter gehen möchte. Wieso eigent- lich? Was treibt mich und den Kleinen nicht? Wann haben wir verlernt, die Zeit zu vergessen und den Augenblick zu leben? Dabei ist Entschleunigung das Wort der Stunde, das Streben nach Entspannung unser aller Ziel und wie oft sehnen wir uns nach ein paar Stunden, die nur uns gehören. Dazu passt das Pilgern, das sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Galt noch vor wenigen Jahren der Fußmarsch auf dem Jakobsweg Richtung Santiago de Compostela als Maß aller Dinge, so gibt es inzwischen viele Pilgerwege quer durch Europa. Und weil auch Pilgern gelernt werden will, gibt es die Pilgerbetreuer. Das sind jetzt gewissermaßen auf den langen Etappen das, was mein Enkerl für mich auf unseren kurzen Wanderungen ist. Er bringt Ru- he und zeigt uns den richtigen Weg. Und das nicht nur geo- graphisch. Franz Muhr aus Inner- schwand ist seit Jahren Pil- gerbegleiter auf dem Via No- va. Das ist der mitteleuropä- ische Pilgerweg, der von St. Wolfgang bis Pfibram in der Tschechei in nördlicher Rich- tung und bis zum bayerischen Kloster Weltenburg in west- licher Richtung reicht. Wenn Franz Muhr mit seinen Grup- pen pilgert, ist er einige Tage auf bestimmten Etappen unter- wegs. Rund 20 Kilometer wird da am Tag gegangen. Manch- mal schweigend, manchmal plaudernd, stets aber so, dass die innere Unruhe schwindet. „Es ist schön zu beobachten, wie sich die Menschen mit je- dem Schritt näher kommen. Du gehst von der ersten Etap- pe mit einem Dutzend fremder Menschen weg und kommst amAbend beim ersten Quartier mit Freunden an“, spricht Franz Muhr aus der Erfahrung. Gut. Aber was tun, wenn man nicht mehrere Tage Zeit zum Pilgern hat. Pilgern für einen Tag? Ist das auch möglich? „Natürlich“, sagt Franz Muhr. „Und wo am besten?“ wollen wir wissen. Drei Pilgerwege gibt´s durch das Mondseeland. Die Via Nova führt gleich durch alle sieben Gemeinden. Eine der schönsten Etappen dabei ist für
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