Vollmond 3-2023

FAHRTWIND W as? 40 Eu- ro? frage ich ungläu- big nach, als mir die hübsche zierliche Frau den Preis für die Schuhe nennt, die sie in ihrem Eckgeschäft am Bazar von Gjirokas- tra in Mittelalbanien zum Kauf anbietet. Die Schuhe sind handgemacht. Gefallen mir auf Anhieb. Slipper und Halbschuhe zum Binden in verschiedenen Farben. Von schwarz über grau und vielen Brauntönen bis hin zu blau. Die Blauen gefallen mir be- sonders gut. Meine Frage, ob ich die Schuhe auch einmal anprobieren kann, scheint die Frau geahnt zu haben. Denn noch bevor ich über- haupt etwas sagen kann, hält sie mir den Schuhlöffel ent- gegen. Den hätte ich aber nicht gebraucht. Alle Schuhe sind mir zu groß. Die blauen sowieso. Und auch von den brauen und den schwarzen passt kein einziges Paar. Ich zucke resignierend mit den Schultern. Leider, murmle ich und möchte gehen. „Kein Problem“, sagt Nanja. So hat sich die Verkäufern in gutem Deutsch vorgestellt. „Wann fährst du denn weiter?“, fragt sie. „Morgen am Vormittag“ antworte ich. „Passt“, lacht die hübsche Zierliche und während sie zum Handy greift erklärt sie mir, dass ihr Mann der Schuster ist, der diese Schuhe herstellt. Den ruft sie jetzt an und der soll mir in der Nacht passende Schuhe ma- chen. Wir sollen im Restau- rant gegenüber etwas essen oder trinken, bis er da ist. Nach einer Portion „Meet- bowls“ und zwei Korce-Biere schauen wir wieder im Ge- schäft an der Ecke vorbei. Von edler Handwerkskunst bis zum haarsträubenden Kitsch. Im Bazar von Gjirokastra findet sich für jeden Geschmack etwas. Sogar ein Schuster, der einem über Nacht ein paar blaue Schuhe anfertigt. Text und Bilder: Rupert LENZENWEGER Die blauen Schuhe a us Gjirokastra 32 VOLLMOND 3/2023

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