Vollmond 3-2023

Der Seezwerg und die Forelle SAGE aus dem Mondseeland I 28 VOLLMOND 3/2023 m kühlen Nass des Fuschlsees haus- ten einst die grünen Fuschler Seezwerge. Die kleinen Gnome waren mit Schuppenkörpern, Schwimm- häuten zwischen den Fingern und moosigen Haaren aus- gestattet. Die lustigen Wesen gingen gerne ans Land und naschten mit Vorliebe in den Gärten und Feldern. Dieser Herzenslust mussten sie aber in den frühen Morgenstunden nachkommen, weil ansonsten die Tagessonne ihren stets feuchten Schuppenleib aus- getrocknet hätte. Eines Tages stieg ein See- zwerg bis zu den Felswän- den des Schobers empor, um weithin leuchtende Blaubee- ren zu sammeln. In seinem Eifer bemerkte er nicht wie die Sonne immer höher stieg. Als das kleine Kerlchen es je- doch bemerkte, hetzte er wild und laut kreischend den Hü- gel zum See hinab. Vor lauter Hetzerei kam er zum Sturz und kollerte wie eine grüne Kugel den Berg hinab. Un- verletzt aber ohne Bewusst- sein, kam der Arme genau am steinigen Seeufer zum Still- stand. Die Minuten vergingen und die Sonne trocknete den Seezwerg langsam aber si- cher aus. Im letzten Moment flitzte eine zierliche Forelle im See daher und bemerkte den Unglücksraben. Sofort begann sie unaufhörlich mit den Flossen Wasser auf den leblosen Körper zu spritzen. Dadurch trocknete er nicht aus und blieb am Leben. Als er erwachte sprang er sofort in den See. „Deine Hilfe, liebstes Fischlein, werde ich dir nie vergessen. Sag mir einen Wunsch, ich erfülle ihn dir!“ Da lachte der Lebens- retter: „Ich möchte so gerne einmal zu einem anderen See schwimmen, staunen und schauen.“ Sobald der Wunsch ausgesprochen war, öffne- te sich mit einem mächtigen Rauschen der Fuschlsee an seinem nordwestlichen Ende. Der Fisch glaubte zu träumen und war plötzlich wehmü- tig weil das neue glasklare Wasser keine überwältigende Blütenpracht wie am Fuschl- see umgab. Da sagte der See- zwerg: „Schaffe dir selbst eine majestätische Kulisse für die neue Ache. Jeder Sprung aus dem Wasser wird der Be- ginn einer unvergleichlichen Schöpfung sein.“ Doch so ganz alleine traute sich das Fischlein nicht und so setzte sich der Seezwerg als Wellenreiter oben drauf. Je höher die beiden aus dem kühlen Nass schnellten, des- to zahlreicher entstanden die weißen Teppiche des Weiß- dorns, der Wildrosen mit hell- grünem Laub, Brombeeren und Heckenkirschen. Als sie den Mondsee erreicht hat- ten, waren die Ufer der Ache ein buntes Meer von Blüten- pracht und grünen Blattfel- dern. Weil beide nach jedem neu entstandenen Wunder- werk der Natur vor Entzü- cken „Oh“ riefen, wurde seit damals die Ache von den Menschen in Thalgau nur als „Oh“ bezeichnet. Sagenquelle aus dem Buch: Goldbrünnlein und Drachen- wand. Sagen und Märchen einer Landschaft für Erwach- sene und Kinder, Illustratio- nen Heilgard Maria Bertel, Herausgeber, Verleger Prof. MMag. DDr. Bernhard Bal- thasar Iglhauser, Verkauf: im Gemeindeamt Thalgau

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