VOLLMOND 2-2021

42 VOLLMOND 2/2021 KURZGESCHICHTE K annst dich noch erinnern? Es hat Zeiten gegeben, da hatte der Ni- ki Lauda eine eigene Fluglinie. Die hieß Lauda-Air. Die Österreicher sind gerne mit diesen Flie- gern geflogen. Meist in den Urlaub oder zu sonstigen er- freulichen Anlässen. Weil die Österreicher sind zum einen halt Patrioten. Und wenn schon einer von ihnen eine eigene Fluglinie hat, dann fliegen wir auch damit. Zum anderen servierte der Lauda das beste Essen, das es über 5.000 Meter gab. Sagten halt die, die mit dem Lauda ge- flogen sind. Heute wäre das undenkbar, dass jemand mit einer bestimmten Fluglinie wegen des guten Essens flie- gen würde. Ginge aber auch nicht mehr. Weil längst über- all der gleiche Fraß in den eingeschweißten Sackerln. Bröseliges Weißbrot, harter Schinken, zacher Kas und vertrocknete Tomaten. Aus. Wenn überhaupt. Dazu Toma- tensaft und wennst ein Bier willst, musst schon draufzah- len. Was im Flieger gar nicht so einfach ist. Weil die Sitz- bänke sind eng und wennst das Geld aus der Hosentasche fingerln willst, musst dich zu- mindest auf den Gang stellen. Und wenn sich dann mehr Leute ein Bier kaufen wol- len. Ziemliches Gedränge auf dem Gang. Sag ich dir. Und wie soll dann die Stewardess mit dem Wagerl durch? Im Wagerl ist aber das Bier. Also nichts als Probleme. Deshalb greifen alle dankbar zu dem kleinen Becher Tomatensaft, den sie am Boden nicht ein- mal anschauen würden. Aber egal. Das freilich hat der Sepp Vorderroider alles nicht ge- wusst, als er zum ersten Mal geflogen ist. Das war mit den Mondseer Pfitschigoglern zu einem internationalen Turnier nach Mallorca und das war zu einer Zeit, als der Lau- da noch seine Flieger hatte. Und angeblich hat der Lauda den Flieger nach Mallorca sogar selbst gesteuert. Aber das ist jetzt wirklich nur ein Gerücht. Wobei man schon sagen muss, dass damals ei- gentlich alle Leute immer mit dem Lauda selbst in den Ur- laub geflogen sind. Haben sie halt dann daheim am Stamm- tisch erzählt. Vielleicht haben sie das aber nur verwechselt. Weil der Lauda hatte ja im- mer ein Kapperl auf. Aber Piloten auch. Jetzt kann es schon sein, dass da so man- cher etwas verwechselt, wenn er so von hinten ins Cockpit geschaut hat. Da saß ganz ohne Zweifel einer vorne mit einem Kapperl auf dem Kopf. Und wie schon gesagt: Kap- perl auf, hieß damals auch gleich, dass das der Lauda ist. Dem Vorderroider war das egal. Viel wichtiger war ihm, dass er wieder heil herunter kommt und dass das Essen wirklich so gut ist, wie ihm seine Freunde vorgeschwärmt haben. „Eschlböcks Hauben- küche ist nichts dagegen“, hat der Obmann Franz schon Wochen vor dem Flug sei- nen Vereinsmitgliedern den Mund wässrig gemacht. Da- mals hatte der Eschlböck ein Restaurant im Mondseeland, hatte x Hauben und war ös- terreichweit so etwas wie der Urmeter für gehoben Küche. Aber wie gesagt, ist auch schon ein Zeiterl her. Es gab Hühnchen im Flie- ger. Genauer gesagt: Steiri- sches Mais-Junghühnchen mit frischem Gemüse und einer exotischen Soße an klei- nen Erdäpferln. Dazu, eh klar, Tomatensaft. Henderln am Teller kennt der Vorderroider seit seiner Kindheit, weil er seit seiner Geburt auf einem Bauernhof lebt und dort Dut- zende von Hühnern gehalten werden. Erdäpferln kennt der Vorderroider auch. Was er aber nicht kannte, war die- ser abgepackte Zitronensaft, der sich in einem sonnen- gelben Sackerl mit einer auf- gedruckten Zitrusfrucht auf verschweißten Löschpapier befand. Und obwohl der Vor- derroider mit aller Kraft das Papier zwischen seinen Fin- gern drückte, kamen nur ganz wenige Tropfen Zitronensaft auf das Hendl. Ziemlich un- praktisch das Ding. Dachte sich der Vorderroider und griff zur Selbsthilfe, indem er das Hendl mit dem Tücherl einfach einschmierte. Das ging besser als diese Ausdrü- ckerei und schon glänzte der Vogel feucht. „Und, habe ich zu viel ver- sprochen“, fragte Obmann Franz, der neben dem Vorder- Galadinner über den Wolken Eine Kurzgeschichte von Josef M. Ghezzi

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