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VOLLMOND 1/2023 33 sein. Aber wie lange glaubst, dass es dauert, bist du lachen musst, weil du so eine Geschichte auch noch nie erlebt hast? Na siehst. Und so herrschte bald Heiterkeit auf dem Pos- ten und der Mann ohne Zähne lachte mit. Und bei so viel Gaudi neigst irgendwann dazu, die Wahrheit zu erzählen. Und dass dem Mann nicht Einbrecher die Zähne zertrampelt haben, war den Gendarmen sofort klar. Weil natürlich sind jetzt nicht alle Einbrecher mit übertrieben viel Intelligenz gesegnet. Aber so blöd, dass sie auf ein Nachtkastl steigen und dort irrtümlich Zähne zertrampeln? Ich kann mir ja viel vorstellen, aber das... Naja, horch zu, ich mach´s jetzt kurz: Der Mann hat einen Hund gehabt. Noch sehr jung aber schon ziemlich groß und halt furchtbar verspielt. Und der ist in der Nacht über das Gebiss hergefallen. Wahrscheinlich hat er geglaubt, das ist ein Knochen oder irgend so ein Spielzeug zum Kauen. Aber das ist jetzt nur eine Vermutung von mir, so im nachhinein. Und wie dann der Mann in der Früh die Bescherung gesehen hat, ist ihm nichts besseres eingefallen, als die Sache mit dem Einbrecher. Weil dann hätte ja die Versicherung bezah- len müssen. Oder nicht? Für Maurer war die Angelegenheit nach dem Geständ- nis erledigt. Für den Zahnlosen natürlich nicht. Der hat zu- nächst mit Superkleber versucht, das Malheur aus der Welt zu schaffen. Hat natürlich nicht funktioniert, aber das wirst dir eh gedacht haben. Also ab mit dem Sackerl und seinem Inhalt ins Zahnambulatorium. Was die dort gesagt haben, weiß ich beim besten Willen nicht. Aber wenn du mir jetzt sagst, du könntest dir vorstellen, dass die Zahnärzte und Zahntechniker dort auch ziemlich gelacht haben, dann will ich dir jetzt gar nicht widersprechen. Irgendwann am Nachmittag ist der Dolmetscher gekom- men. Genau genommen war´s eine Dolmetscherin. Aber das ist jetzt auch wieder nur so ein Detail, das im Grunde keine Rolle spielt. Aber ich möcht´s trotzdem erwähnt haben. Der Vollständigkeit halber. Wennst jetzt schon ungeduldig bist und endlich wissen willst, was es mit den Prothesen aus Spanien auf sich hat, kann ich das gut verstehen und will dich auch nicht mehr länger auf die Folter spannen. Nur so viel noch: Für die Dol- metscherin war es wirklich ein Klacks, die paar Zeilen der spanischen Polizisten zu übersetzen. Also horch zu, was die geschrieben haben. „Liebe Kollegen aus dem Mondseeland. Wir schicken euch das Gebiss eines Herrn Hias Maigruber aus Innerschwand. Dieses Gebiss lag jahrelang bei uns im Fundus als unbekanntes Fundobjekt, das uns einst eine jun- ge Senorita nach einem Volksfest vorbeigebracht hat. Jetzt konnten wir mittels immer moderneren DNA-Analysen den Herrn Maigruber als ehemaligen Gebissträger ermitteln.“ Soviel zum offiziellen Bericht, der ziemlich amtsdeutsch, oder besser: amtsspanisch, abgefasst war und im Grunde ge- nommen alles erklärt. Aber weil ich dich jetzt nicht so staub- trocken aus dieser Geschichte entlassen möchte, erzähle ich dir noch ganz kurz die Hintergründe. Der Hias Maigruber war mit seinen Stammtischbrüdern auf Ausflug in Spanien. Und natürlich auch beim Volksfest in Sevilla. Was dort genau getrunken wurde, lässt sich nicht mehr sagen. Jedenfalls viel Alkohol. Und die meisten wer- den das kennen: Wennst pausenlos oben hineinschüttest, ist unten irgendwann kein Platz mehr. Ein Teil der Flüssigkeit ist noch im Stande, den Körper durch die Blase zu verlas- sen. Aber es kann durchaus auch vorkommen, dass du ein- fach einmal übergehst und der Alkohol dort wieder heraus- kommt, wo er zuvor hineingeschüttet wurde. Ich hoffe, ich hab des jetzt halbwegs nobel ausgedrückt. Weil ich hätte dir ganz einfach auch erklären können, dass der Hias im Laufe der Nacht gekotzt hat wie ein Reiher. Und da sind die Zäh- ne mit heraus gekommen. Der Hais hat das erst am Morgen bemerkt. Kannst du dir da die Panik vorstellen? Da wachst immer noch betrunken in einem Hotel in der Fremde auf und musst feststellen, dass keine Zähne da sind. Nicht im Mund. Nicht am Nachtkastl. Nicht im Bad. Auch nicht un- ter dem Bett. Ganz ehrlich. Auch da hat der Hias in seiner Verzweiflung gesucht. Gefunden hat er nichts. Einen klei- nen angenehmen Nebeneffekt gab´s aber trotzdem: Er war schlagartig nüchtern. Wie die Zahnprothese dann auf den „Puesto de Policia“ gekommen ist, kann ich jetzt auch noch schnell erklären. Die junge Senorita war Putzfrau und musste nach dem Fest die Klos reinigen. Und da hat sie das Gebiss entdeckt und zur Polizei gebracht, wo es viele Jahre lag. Auch auf Karl Maurers Dienststelle blieb die Prothese dann viele Jahre liegen, weil der Maigruber Hias war längst verstorben. Wo die Zähne jetzt sind, willst du wissen? Da kann ich nur sagen: Bitte frag mich etwas Leichteres ...
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