VOLLMOND 1-2020

Februar 2020 SAGE AUS DEM MONDSEELAND enn die Fischer am Mondsee in der Nacht ausfuhren, konnten sie immer wieder ei- nen fremden Fischer beobach- ten, der wie sie die Netze aus- warf. Er war meist ein bis zwei Züge vor ihnen, störte sie je- doch nie. Sie fingen auch nicht weniger Fische wie sonst. Nur wenn sich der fremde Fischer hinter ihnen befand, schien er unruhig zu werden und ver- schwand. Einmal fuhren Fischer am Mondsee in einer Vollmond- nacht auf dem See. Sie hatten die Netze bereits ausgelegt. Da sahen sie beim Umwen- den ihres Schiffes, wie ein fremder Fischer in einem Einbaum gegen die Mündung des Steinerbaches zufuhr. Der Einbaum hatte nur eine Wand, ging aber trotzdem nicht unter. Sogleich ruderten sie dem Fremdling entgegen und ein mutiger Fischerknecht rief ihm zu: „Mit einem hal- ben Schiffe möchte ich auch einmal fahren, um andere in ihrem ehrsamen Handwerk stören zu können!“ Daraufhin fuhr der ungewöhnlich gro- ße, kohlschwarz gekleidete fremder Fischer beim Bache auf den Schotter hinaus und war unter Tosen und Kra- chen spurlos verschwunden. Auch von seinem Fahrzeug war nichts mehr zu sehen. Die Schiffer erkannten nun, dass es der Teufel gewesen war, dem sie begegnet waren. Ein anderes Mal fuhren neun Fischer vor Mitternacht auf den See hinaus. Plötzlich zog ein schweres Gewitter heran. Sie mussten ihre Tätigkeit ein- stellen und flüchteten mit ihren Schiffen in die nahe gelegene alte Klosterschiffhütte. Dort suchten sie während des Un- wetters Unterstand. Da fing es auf einmal schrecklich zu lärmen und zu toben an. Ihre Fahrzeuge wurden hin- und hergeworfen und mit furcht- barer Gewalt an die Wände der Hütte geschlagen. Als sie dann einen Mann mit glühenden Augen in der Ecke der Hütte hocken sahen, erfasste alle na- menloser Schreck. Sie liefen trotz Sturm, Blitz und Donner ins Freie und fanden in einem nahen Heustadel notdürftig Unterschlupf. Nachdem sich das Gewitter wieder verzogen hatte, gingen sie in die Schiff- hütte zurück. Sie dachten, die Einbäume müssten schwer be- schädigt sein. Doch zu ihrer größten Verwunderung hat- ten sie keinen nennenswerten Schaden erlitten und es war alles in Ordnung. Da wussten sie, dass es wieder „der Bö- se“ gewesen war, der ihnen solchen Schrecken eingejagt hatte. Sie hatten nämlich den fremden Fischer, so oft sie ihm am See begegneten, verspottet, verhöhnt und ihn „zum Teufel“ gewunschen. Das schreckliche Toben in der Gewitternacht war also die Rache des un- heimlichen Fremden für ihren Hohn und Spott gewesen. Information zur Sage Der Steinerbach floss früher durch den Ort Mondsee und mündete nahe dem heutigen Seebad in den See. Er wurde in den 70er Jahren durch ein künstliches unterirdisches Ge- rinne der Zellerarche zugelei- tet. Das zugeschüttete ehema- lige Bachbett dient heute vor- wiegend als Straßenfläche. Sagenquelle aus dem Buch: Wundersames Mondseeland. Sagen, Legenden, Erzählungen für Kinder und Erwachsene. Gesammelt und neu erzählt von Anton Reisinger, illustriert von Agneta Gräfin von Almeida, Verlag omnipublica, ISBN-10: 3-9502162-4-3, Euro 14,-. Verkauf: in allen drei Mondseer Museen, info@museummondsee.at Bild: Gegenlicht - Foto-Filmclub Mondsee

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