DOPPELPUNKT August 2021

Seite 22 Frühling im Flachgau August 2021 W enn ich „ L a u b s ä - ge“ sage, was fällt Ih- nen dazu ein? Wahrscheinlich eine der ersten Werk-Stunden in der Schule. Unhandlicher Säge- bogen, jede Menge gerissener Sägeblätter, vielleicht sogar ein blutiger Finger. Stimmt´s? In meiner Klasse war´s so, dass einige nie ganz den Bo- gen herausbekommen haben, wie´s wirklich funktioniert. Ich hatte aber auch Freunde, die schon nach wenigen Stun- den die schönsten Laubsäge- arbeiten abgeliefert haben. Märchenbilder oder Hampel- männer, Kugelbahnen oder Mobile sind so entstanden und trennten uns schon da- mals in handwerklich Begab- te und weniger Talentierte. Ob Frederic Pascal auch schon in der ersten Schulklas- se mit der Laubsäge glänzte, kann ich nicht sagen. Dass er aber jetzt ein Virtuose im Umgang mit dünnen Säge- blättern und noch feineren Bohrern ist, haben alle Be- sucher des Mondseer Kunst- handwerksmarktes gesehen. Denn dort hat er mit seinen „Laubsägearbeiten“ für Stau- nen gesorgt. Obwohl: Wirk- lich mit Laubsägen hat das eigentlich nichts mehr zu tun. Denn Pascals Arbeitsmaterial ist nicht Holz, sondern sind Münzen. Egal ob Stahl oder Silber, ob Gold oder Kupfer. Pascal entfernt Zwischen- räume, lässt die Motive in den Mittelpunkt rücken und schafft so unglaublich gra- zile Medaillen und feinen Schmuck bei dem du nachher frühestens auf den zweiten Blick erkennen kannst, dass das einst wirklich Münzen waren. Viele Münzen werden auf Bestellung gefertigt. Als Geburtstagsgeschenk oder Erinnerungsmedaille mit ent- sprechenden Motiven. Oft ist die Suche nach den passen- den Münzen langwierig. Aber dass Pascal einmal keine ent- sprechende Münze gefunden hätte, ist auch noch nie vor- gekommen. Denn inzwischen hat er die Motivsuche nach passenden „Laubsägevorla- gen“ auf die ganze Welt aus- geweitet. Ständig auf der Suche ist auch der Drechsler, der am Mondseer Kunsthandwerks- markt seinen Stand direkt neben Münzenkünstler Pascal aufgebaut hat. Der Mann trägt einen großen Hut, der sich erst auf den zweiten Blick als gedrechselt herausstellt und aus Eschenholz hergestellt wurde. Genau solches sucht der Drechsler jetzt. Und wer nun glaubt, dass das leicht zu bekommen wäre, weil ja eh überall Eschensterben. Der irrt. „Holz ist momen- tan ein ganz rarer Werkstoff und die Preise steigen stän- dig“, sagt der Drechsler. Das weiß auch der Tischler aus Eberschwang, nur ein paar Marktstände weiter. Seit vie- len Jahren ist er mit seinen Kunstwerken auf Märkten in ganz Österreich unterwegs. Dass ihm kürzlich ein großer Auftrag durch die Lappen gegangen ist, lag allerdings nicht daran, weil er das dafür notwendige Holz nicht gehabt hätte. Es war einfach die Zeit, die ihm gefehlt hat. Und das kam so: Ein Japaner hätte für mehrere seiner Restaurants gerne Lampen aus des Künst- lers Werkstätte gehabt. Aber nicht zwei oder drei. Son- dern hundert. Und das inner- halb von zwei Wochen. „Da stoße ich einfach an meine Grenzen, weil mehr als eine Lampe pro Tage schaffe ich nicht. Aber vielleicht richtet der Mann ja wieder einmal ein Restaurant ein und kommt dann früher zu mir“, hofft der Kunsttischler. Denn den Auf- trag könnte er schon ganz gut gebrauchen. Weil eineinhalb Jahre Corona haben nicht nur an seinen Nerven gezerrt, sondern auch die eisernen Reserven auf dem Sparbuch rasch schwinden lassen. Farbenfroh geht’s ein paar Schritte weiter zu. Da laufen bunte Käfer und Schnecken durch die Wiese des Mondse- er Almaidaparkes. Vielleicht sind sie sogar auf der Suche nach den blauen Fliegen- pilzen, die daneben stehen. Oder sind ihnen die Edelweiß lieber, die neben Glocken- blumen blühen? Eines haben Pflanzen und Getier gemein- sam: Sie sind aus Keramik und so herzig gemacht, dass ein Vorbeigehen unmöglich ist. Und dann entdeckst in der schier unendlichen Blüten- pracht immer wieder neuen Details. Kleine Marienkäfer, Erdbeeren, die dir das Was- ser in den Mund zaubern oder kleine Papageien, die an Die ganze Vielfalt des Mondseer Kunsthandwerksmarktes: Blumen und allerlei Getier aus Keramik, Hut und Obstschüsseln aus Esch Die REPORTAGE Wo Edelweiß aus Keramik blühen

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